Für deutsche und europäische Eisseglerinnen und Eissegler wird es immer schwieriger, Reviere mit tragfähigem Eis zu finden. Eine Bestandsaufnahme.
Hinter den besten Wetterbedingungen herzureisen – das gehörte für die Gemeinschaft der deutschen Eisseglerinnen und Eissegler schon immer dazu. Mindestens 15 Zentimeter Kern-Eis, am besten ohne Lufteinschlüsse, möglichst ohne Schnee und spiegelglatt. Das garantiert Eis-Vergnügen at its best. „Und dafür sind Frauen und Männer schon immer ins Auto gestiegen und losgefahren““, sagt Bernd Zeiger, Landessekretär der deutschen DN Eisflotte.
Doch seit einigen Jahren ist es extrem schwierig mit dem Eis-Vergnügen, mit Trainingseinheiten und Regatten. Viele der Schlitten mit den drei Kufen stehen schon länger unbenutzt in deutschen Kellern und Garagen. Tragfähige, gefrorene Gewässer in Deutschland? Fehlanzeige.
Vermutlich durch die weltweit zu beobachtenden Klimaveränderungen verschiebt sich der Jetstream polwärts. Dieses Starkwindband in der Erdatmosphäre hat Einfluss auf Hitze, Regen, Stürme und eben auch Kälte hat. Das führt dazu, dass einst eissichere deutsche Regionen wie zum Beispiel der Bodden bei Wustrow oder das Stettiner Haff (Mecklenburg-Vorpommern) nicht mehr tragfähig zufrieren. Doch auch deutsche Binnenseen wie der Wittensee im Norden, der Starnberger See im Süden, das Steinhuder Meer im Westen oder der Goldbergersee im Osten bieten kaum noch gefrorenes Wasser.
Auch in den Niederlanden, Österreich oder Dänemark ist Eis Mangelware. Insgesamt verschiebt sich der Saisonstart kontinuierlich seit einigen Jahren im Kalender weiter nach hinten – Die ersten Saisonregatten starteten früher in der 44. Woche Ende Oktober. Inzwischen geht es erst Mitte November gesichert aufs Eis.
Sogar in Polen wird die Situation problematischer: Galten die Gewässer in den Masuren bislang als Garant für gutes Eis, so mussten in der Saison 2021/2022 die abschließenden Läufe der Polnischen Meisterschaft kurzerhand Richtung Baltikum, nach Litauen, verlegt werden. Eine schwierige Situation für das Nachbarland, denn dort gehört Eissegeln zum Schulsport, ist fester Bestandteil in den nationalen Vereinsstrukturen und hat eine riesige Fangemeinde.
Eissegeln bis Ostern – das gibt es nur noch selten
Zwar profitieren auch einige Regionen von der Verschiebung des Jetstream: So sind im mittleren und nördlichen Schweden viele Seen bis in den April gefroren; die finnische Eissegelflotte ist durch gute Bedingungen mit viel Kälte und wenig Niederschlag auf inzwischen 30 Schlitten angewachsen. Und in Finnland gibt es auch zu Ostern zumindest im Landesinneren noch bis zu 40 Zentimeter starkes Eis.
Doch für die deutsche Eissegelszene heißt das Wetter-Dilemma: kaum Nachwuchs, und auch erfahrene Eis-Segelnde müssen sich umstellen. Sind viele von ihnen vor einigen Jahren noch nachmittags im Winter kurz vor Dunkelheit mal kurz auf den DN-Schlitten gestiegen, so müssen jetzt Segel-Sessions langfristig geplant werden. Denn eine Anreise von „vielen Autostunden in den hohen Norden nach zum Beispiel Falun oder Sandviken in Schweden“, erklärt Bernd Zeiger, „die machst du nur, wenn du dann auch einige Tage Zeit hast“. Das heißt: Geld sparen für kostenintensives Reisen, Urlaub nehmen und dann aus den Tagen rausholen, was geht.
Gesicherte Informationen zum Eis: nur über die Community
Klar ist: Die Klimabedingungen sind schwierig geworden. Umso wichtiger ist es für alle Aktiven, an gesicherte Informationen zu Eis- und Windbedingungen zu gelangen. Ist das Eis zu dünn, droht Gefahr für Eisseglerinnen und -segler.
„In den sozialen Medien kursieren viele Informationen zu Eisbedingungen“, sagt Bernd Zeiger aus Erfahrung. „Doch was Schlittschuhläufer und Fußgänger trägt, eignet sich nicht unbedingt für uns und unsere Schlitten“. Und Fotos könnten da schnell trügerisch sein.
Doch daran, das Eissegeln endgültig an den Nagel zu hängen, denkt keiner in der eingeschworenen Community der Eisseglerinnen und Eissegler. „Wir sollten künftig Meisterschaften bündeln und terminlich zusammenlegen“, skizziert der Kieler Zeiger eine mögliche Reaktion auf die Wetter-Schwierigkeiten.