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NRV: Alles ist möglich – auch bei Regatten

Der Norddeutsche Regatta Verein an der Hamburger Außenalster versteht sich schon immer als Vorreiter auf neuen Wegen im deutschen Segelsport. Dieser Tradition fühlt sich der Verein verpflichtet und engagiert sich seit einigen Jahren beim inklusiven Segeln – sowohl im Freizeit- als auch im wettkampforientierten Bereich. Dazu gehören nicht nur Nachwuchsarbeit, Trainingsgruppen und Schnupperangebote auf vereinseigenen Booten, sondern auch die Ausrichtung von inklusiven Regatten in verschiedensten Formaten.

Wie alles begann

Segeln soll für alle Menschen möglich sein, unabhängig von Herkunft, Alter, Sprache oder Behinderung. Oder anders ausgedrückt: Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch dazu gehört. Das hat man sich beim NRV auf die Fahnen geschrieben und arbeitet seit mehr als fünf Jahren unter der Prämisse „Nicht darüber reden, was nicht geht, sondern machen, was geht“ intensiv an der Umsetzung des inklusiven Segelns. Initialzündung für das Engagement war der Kontakt zur rollstuhlfahrenden Radrennfahrerin Kristina Vogel, die 2018 erstmals im Rahmen des Helga Cups inklusiv beim NRV segelte. Schritt für Schritt wurde das Vereinsgelände an der Außenalster in allen Bereichen barrierefrei gestaltet, für Segelnde mit Einschränkungen stehen inzwischen diverse S\V 14 Boote mit vielen Adaptionsmöglichkeiten zur Verfügung, 2022 wurde ein neuer Jugend- und Inklusionshafen eingeweiht, in Kooperation mit anderen Vereinen entwickeln sich zahlreiche weitere Projekte.

Einweihung des neuen Jugend- und Inklusionshafens des Norddeutschen Regatta Vereins an der Hamburger Außenalster.

Die finanziellen und räumlichen Möglichkeiten, über die der NRV in der Hansestadt Hamburg mit vielen ehrenamtlichen Unterstützern und Sponsoren verfügt, sind herausragend. „Dass nicht alle Vereine über diese Grundlagen verfügen, ist uns bewusst“, sagt der NRV-Vorsitzende Tobias König, „Und doch entwickelt diese Art des Leuchtturmprojekts in der Stadt und bundesweit eine Sogwirkung – Menschen schauen hin, die Medien berichten, und inklusives Segeln schiebt sich in den gesellschaftlichen Fokus. Und: „Andere Vereine können jederzeit Kontakt aufnehmen und bei uns schauen: Was davon geht für uns?“, so Tobias König. Sein ausdrücklicher Wunsch: Kopieren ist erlaubt. Außerdem setzt man im NRV ganz unbedingt auf Kooperation. „Wenn jetzt jeder Verein alle seine Anlagen umbaut, ist das für jeden sehr viel Invest, wenn aber sich einzelne Vereine auf bestimmte Bereiche spezialisieren und für andere Bereich mit anderen kooperieren, ist das ein riesiger Gewinn, der uns viel schneller und vor allem viel näher ans Ziel bringt.“

Warum das inklusive Regattasegeln dazu gehört

Der Norddeutsche Regatta Verein ist eine wettkampforientierte Gemeinschaft – der Name unterstreicht es: Regatten und leistungsorientiertes Segeln liegen in der DNA des Hamburger Vereins. Und so überrascht es nicht, dass die Hamburgerinnen und Hamburger mit verschiedenen Formaten des inklusiven Regattasegelns bereits Erfahrungen gesammelt haben. „Diese Erfahrungen teilen wir gerne mit anderen Vereinen“, erklärt Christian Au, Inklusionsbeauftragter im NRV.

Inklusive Regattaformate im Überblick

1. Rein inklusive Regatta, bei der alle Segelnden auf Booten mit individuellen Adaptionsmöglichkeiten unterwegs sind. Beispiel: Bei der dritten Inklusions-WM 2022, die der NRV in Kooperation mit anderen Vereinen und unter der Schirmherrschaft des DSV ausgerichtete, starteten Seglerinnen und Segler in der S\V 14 – ein Boot, in dem ein Mensch mit Handicap und einer ohne gemeinsam im Team unterwegs sind. „Bei diesem Format geht es um gemeinsames Segeln, Erleben – ein wichtiger Schritt Richtung Inklusion“, sagt Christian Au.

2. Bestehende Regatta um eine inklusive Regattabahn erweitern. Bei diesem Format legen die ausrichtenden Vereine einen separaten Kurs für inklusiv Segelnde fest – die Wettfahrten und Segelnden sind also Teil der Gesamtveranstaltung mit einer eigenen Bahn und einer eigenen Wettfahrtleitung.. Dieses Format nutzte der NRV erstmals 2020 im Rahmen des Helga Cups, die weltweit inzwischen größte Frauen-Regatta auf der Hamburger Alster. Vorteile: Alle erleben die Veranstaltung gemeinsam, alle verbringen gemeinsam viel Zeit an Land, Bekanntschaften, Freundschaften und Netzwerke entstehen.

Seit 2020 erweitert der NRV beim Helga Cup, der weltweit größten Frauenregatta, die bestehende Regatta um einen separaten Kurs für inklusiv Segelnde. © Karin Kruger-Felsch

3. Inklusiv Segelnde in eine bestehende Regatta integrieren. Bei diesem Format gehen alle in der gleichen Bootsklasse an den Start. Das funktioniert zum Beispiel schon lange bei den 2.4mR: In dieser Bootsklasse mit vielen Adaptionsmöglichkeiten starten Segelnde mit und ohne Handicap vergütungsfrei und chancengleich gegeneinander.

Auf der J/70 „Blindfisch“ – ein Gemeinschaftsprojekt des NRV und der Segelabteilung des FC St. Pauli – segeln Sehbehinderte, Gehörlose und Menschen ohne Behinderung gemeinsam bei der Kieler Woche auf der Regattabahn gegen Teams ohne Handicap. © Sven Jürgensen

Auch in der Klasse der J/70 wird in dieses Format gesegelt. Für die NRV-Verantwortlichen ist das „Gelebte Inklusion auf der Regattabahn“. In Kooperation mit der Segelabteilung des FC St. Pauli gibt es seit Anfang 2021 das Projekt BAT Sailing Team: Auf zwei Booten („Blindfisch“ und „Helga“) segeln Sehbehinderte, Gehörlose und Menschen ohne Behinderung gemeinsam auf der Regattabahn gegen Teams ohne Handicap, so zum Beispiel bei der Kieler Woche oder in der 2. Bundesliga. „Die Aufgaben sind gemäß den individuellen Fähigkeiten verteilt“, sagt Christian Au. So spürt ein Mensch mit Sehbehinderung jede Nuance des Windes, kann zum Beispiel Dreher und Böen oft früher fühlen. Und dann geht es um schnelle und deutliche Kommunikation. Ein weiteres Beispiel ist die Deutsche Segelbundesliga: Hier nahmen drei inklusive Teams via Wildcard an den Pokalwettfahrten teil.

Wichtig für alle inklusiven Formate

Der Inklusionsbeauftrage des NRV, Christian Au, gibt Tipps, was Vereine bei der Organisation einer inklusiven Wettfahrt unter anderem beachten sollten.

  • Stege und Vereinsgelände sollten frei von Hindernissen sein – das heißt nicht, dass alle Bereiche barrierefrei sein müssen
  • Container mit barrierefreien Toiletten müssen vorhanden sein, können aber bei Bedarf für ein Event gemietet werden
  • Ausreichend und möglichst geschulte Helferinnen und Helfer sollten vor Ort sein. Der Bedarf an Unterstützung beim Auf- und Abriggen oder auch beim Weg vom Steg (aus dem Rollstuhl zum Beispiel) ins Boot ist oft größer als gedacht.
  • Abgestimmt auf die Bedürfnisse der Segelnden sollten im Zeitplan genügend Pausen eingeplant werden – so haben die Seglerinnen und Segler die Chance, zwischen den Läufen zum Beispiel einmal aus den engen Sitzschalen ihrer Boote herauszukommen.

Ansprechperson Inklusion

Christian Au
Norddeutscher Regatta Verein
Schöne Aussicht 37
20085 Hamburg
[email protected]
www.nrv.de

Danksagung

Wir danken der Aktion Mensch für die Förderung der Maßnahmen im Bereich des inklusiven Segelns.