Ab 1. Januar 2025 ist die Abgabe, also der Verkauf, von bioziden Antifoulings eingeschränkt. Künftig können Seglerinnen und Segler nicht mehr einfach ins Regal greifen, bezahlen und den Laden verlassen. Selbstbedienung ist dann verboten: Vorab muss ein Aufklärungsgespräch mit einem geschulten Verkäufer stattfinden. Damit möchte der Gesetzgeber sicherstellen, dass alle Anwender über die Gefahren bei der Verarbeitung dieser Produkte aufgeklärt werden. Wir sprachen dazu mit Thomas Zeller, Geschäftsführer von International. Das Unternehmen ist langjähriger Partner des DSV.
DSV: Herr Zeller, ab dem 1. Januar ändern sich die gesetzlichen Vorschriften für den Kauf von Antifouling-Produkten. Was erwartet die Seglerinnen und Segler künftig beim Händler?
Thomas Zeller: Künftig werden die biozidhaltigen Antifouling-Produkte nicht mehr offen im Regal stehen, sondern in speziellen Schränken verschlossen aufbewahrt. Der abgebende Händler, also das Fachgeschäft, der Baumarkt oder der Online-Händler, stellt dann eine sachkundige Person bereit, die ein Beratungsgespräch mit den Käuferinnen oder Käufern führt. Erst danach darf das entsprechende Produkt gekauft werden.
DSV: Wie genau soll der Inhalt dieses Gesprächs aussehen?
Thomas Zeller: Also, wir bei International verstehen die Gesetzgebung so, dass die Eignerinnen und Eigner sagen: „Ich möchte das bestimmte Antifoulingprodukt x oder y kaufen für mein Unterwasserschiff.“ Der geschulte Verkäufer fragt nach: „Wo liegt denn Ihr Boot, wo segeln Sie meistens, wie oft wird das Boot bewegt…?“ Im Idealfall gibt es eine echte Beratung und Aufklärung, welches Produkt gut passen würde und wie es angewendet wird. Wer in Binnenrevieren unterwegs ist, der benötigt ein weniger stark mit Bioziden aufgeladenes System als die Crew auf der Nord- und Ostsee. Und wer wenig segelt und sein Boot oft in der Marina liegen hat, muss mit mehr Bewuchs rechnen als der Viel-Segler.
DSV: Wie weise ich nach, dass ich berechtigt bin Antifouling zu erwerben?
Thomas Zeller: Der entsprechende Passus in der Verordnung ist recht schwammig formuliert und lässt dem Fachhandel in der Umsetzung einigen Spielraum. Wie es in der Praxis läuft, muss sich zeigen. Aber der Sportbootführerscheins oder der Internationale Bootsschein sollten die erforderlichen persönlichen Voraussetzungen, um eine sichere und umweltgerechte Anwendung zu gewährleisten, darlegen können.
Ökosystem erhalten und zugleich Boote schützen
DSV: Das ist aber sicherlich nur ein sehr geringer Teil…
Thomas Zeller: … ja, klar. Wir alle lieben diesen wundervollen Wassersport, wollen das Ökosystem erhalten und zugleich unsere Boote schützen. Mit der Umsetzung dieser Verordnung möchte der Gesetzgeber die Sensibilität für den Umgang mit unserer Umwelt und unseren Gewässern erhöhen. Das ist durchaus sinnvoll.
DSV: Trotzdem herrscht große Unsicherheit in der Segelszene. Das Verkaufspersonal muss geschult werden. Müssen Seglerinnen und Segler mit Preiserhöhungen bei den Produkten rechnen?
Thomas Zeller: Die Händler müssen ihr Personal zum Beispiel von der Dekra oder dem TÜV schulen lassen und für ein entsprechendes, sechs Jahre gültiges Zertifikat muss anschließend eine amtliche Prüfung abgelegt werden. Das Ganze kostet pro Verkäufer rund 1.500 Euro. Es bleibt abzuwarten, ob das dann vom Handel umgelegt wird. Da haben wir keinen Einfluss drauf. Und wir sind als Hersteller auch nicht befähigt zu schulen und zu prüfen.
DSV: Wie wird denn der Online-Verkauf ablaufen?
Thomas Zeller: Auch dort muss es vor einer Abgabe beziehungsweise dem Versand eine Beratung per Telefon oder Videoübertragung geben. Das heißt wahrscheinlich, dass der Onlinehandel künftig nicht mehr abends getätigt werden kann. Sondern nur zu den üblichen Geschäftszeiten.
DSV: Der Gesetzgeber möchte sensibilisieren. Geht er davon aus, dass sich die Segelnden zu wenig Gedanken machen über die Nutzung von Antifouling?
Großes Interesse an biozidfreien und toxinverminderten Systemen
Thomas Zeller: Viele Bootseigner sind es seit Jahrzehnten gewohnt, Antifouling-Produkte zu verwenden, die dafür sorgen, dass das Boot schier und glatt im Herbst aus dem Wasser kommt. Egal, wo ich segle, wie viel und wie schnell. Aber gerade die jüngeren Wassersportler sind hochgradig an den neuen biozidfreien und toxinverminderten Systemen interessiert. Die wollen ganz genau wissen, wie was funktioniert und was sie tun können. Da ist schon jetzt ganz deutlich eine Bewusstseinsveränderung und ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema zu beobachten.
DSV: Schiebt man die Verantwortung für die Thematik Umweltschutz nicht zu sehr auf den Endverbraucher? Sollte nicht auch die Industrie stärker gefordert werden?
Thomas Zeller: Wir, sprich International, und alle anderen Mitbewerber forschen seit Jahren zu diesem Thema und entwickeln immer wieder neue Systeme. Wir haben Testschiffe und Testplatten rund um den Globus draußen, um zu gucken, funktioniert das System, oder funktioniert es nicht. Forschungsideen laufen manchmal aber auch in die falsche Richtung und werden verworfen. Dabei beziehen wir auch die Erfahrungen auf Handelsschiffen mit ein, die ja ganz viel in Bewegung sind. Dort arbeiten wir zum Beispiel mit einem biozidfreien Produkt auf Silikon-Basis. Dieses System ist auch für Yachten nutzbar und der Umstieg darauf mit einem Zwischenanstrich recht unkompliziert.
DSV: In welche Richtung gehen die Entwicklungen noch?
Thomas Zeller: In Schweden werden die Unterwasserschiffe viel gereinigt, dort sind inzwischen mehr als 30 Schiffsreinigungsanlagen im Betrieb. Das ist in Deutschland noch nicht so verbreitet. Hier laufen dazu viele Test, unter anderem am Bodensee. Unser Mutterkonzern AkzoNobel testet in Norwegen noch ein anderes Reinigungssystem.
DSV: Wie funktioniert das genau?
Thomas Zeller: Die Reinigung mit Bürsten ist manchmal zu kratzig für ein Silikonsystem, zu hart. Dabei kann die Silikonschicht verletzt werden. In Norwegen laufen Tests mit Hochdruckreinigungsdüsen, die das Boot gar nicht berühren. Das ist insgesamt schonender.
DSV: Noch einmal zurück nach Schweden: Warum gibt es dort Reinigungsanlagen und bei uns nicht, zumindest nicht in dem Umfang?
Thomas Zeller: Grundsätzlich geht man in Schweden ganz anders mit den Dingen um. Das Boot ist dort ein Gebrauchsgegenstand, mit dem hat man Spaß, ab und zu wird es aus dem Wasser geholt und gewaschen. Fertig. Aber in Deutschland ist ein sauberes, blitzeblankes Unterwasserschiff für viele immer noch ein Prestigeobjekt.
DSV: So ähnlich wie das saubere Auto vor der Haustür?
Thomas Zeller: Ja, so ähnlich. Wir hatten mal ein Antifouling-Produkt im Programm mit Bioziden, aber auf Wasserbasis. Das war insgesamt ein wenig scheckig nach dem Auftragen, und es gab Spuren, wenn Regenwasser im Winterlager am Rumpf runter gelaufen ist. Da gab es dann viele vermeintliche Reklamationen aus optischen Gründen.
DSV: Wir hier in Deutschland sollten also auch an unserer Erwartungshaltung arbeiten?
Praktikable Lösungen suchen
Thomas Zeller: Ja, es ist die Erwartungshaltung, die wir ändern müssen. Wir müssen Abstand nehmen von der Erwartung, dass etwas aufgetragen wird, und alles bleibt blütenweiß über die ganze Saison. Egal, wo und wie viel ich segle. Manage the expectation, wie man im Englischen sagt. Das ist etwas, wo wir als Hersteller aktiv sein sollten. Und da spielt auch der Deutsche Segler-Verband eine große Rolle mit seiner enormen Reichweite in der Wassersportszene.
DSV: Was gilt es zu tun?
Thomas Zeller: Wir alle sollten uns immer wieder ohne gegenseitige Schuldzuweisungen zusammensetzen und weiter nach praktikablen Lösungen suchen. Seglerinnen und Segler, Verbände, Hersteller, Händler und die Politik. Auf nationaler, aber auch auf internationaler Ebene. Bei uns hier in Deutschland gehört zum Beispiel auch die verstärkte Werbung für den Bewuchs-Atlas vom Umweltbundesamt als eine mögliche Quelle für Informationen zum Bewuchsdruck im jeweiligen Heimatrevier und den dort sinnvollen Maßnahmen dazu. Man muss nicht immer gleich die ganz großen Kanonen auffahren. Am Ende wollen wir alle das Gleiche: mit dem Boot in einer intakten Natur unterwegs sein und vielleicht auch mal ins Wasser springen!