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Boris Herrmann vor dem härtesten Rennen der Welt

Mit der Großschot in der Hand in die Koje

Wenn am 8. November vor Les Sables-d’Olonne der Startschuss zur neunten Auflage des Vendée Globe Race knallt, ist mit Boris Herrmann, Skipper der „SeaExplorer Yacht Club de Monaco“, zum ersten Mal in der über 30-jährigen Geschichte des Weltrennens ein deutscher Segler dabei.

Erfüllt sich mit der Teilnahme an der Vendée Globe seinen Lebenstraum: Boris Herrmann an Bord der "SeaExplorer Yacht Club de Monaco". Foto: Andreas Lindlahr
Erfüllt sich mit der Teilnahme an der Vendée Globe seinen Lebenstraum: Boris Herrmann an Bord der „SeaExplorer Yacht Club de Monaco“. Foto: Andreas Lindlahr

Das Vendée Globe Race, benannt nach dem französischen Département Vendée, gilt als das härteste Rennen der Welt für Solosegler. Die Spielregeln sind dabei recht einfach: Es geht darum, allein an Bord so schnell wie möglich ohne technische Hilfe von außen die Welt unter Segeln zu umrunden. Nach dem Start vor der Küste der Biskaya geht es über den Atlantik gen Südhalbkugel, dann vorbei an den drei berühmten Kaps. Das Kap der guten Hoffnung, Kap Leuwin und Kap Hoorn bleiben an Backbord, die Antarktis an Steuerbord. Wer als erstes wieder die Ziellinie vor Les Sables kreuzt, hat gewonnen.

Doch bevor der Lebenstraum von Boris Herrmann Wirklichkeit wird, gilt es noch ein letztes Kap an Land zu umschiffen. Nach der Qualifikation für das Rennen und der erfolgreichen Suche nach Partnern und Unterstützern – vor allem der Yacht Club de Monaco und das internationale Speditionsunternehmen Kühne + Nagel unterstützen den deutschen Profisegler maßgeblich – ist ein negativer COVID 19-Test die letzte Hürde vor dem Start. Wie alle übrigen 32 Skipperinnen und Skipper muss er sich am 6. November testen lassen. Ist das Ergebnis negativ, steht seiner Teilnahme am „Mount Everest der Hochseesegler“ nichts mehr im Wege.

Bis zum 30. Oktober lebt der 39-jährige noch zusammen mit seiner Frau und der vier Monate alten gemeinsamen Tochter so isoliert wie möglich in seiner Wohnung in der Hamburger Hafencity, um ein Infektionsrisiko nahezu auszuschließen. Danach geht es so abgeschottet wie möglich in die Teambase in der Vendée.

Das Wettergeschehen wird maßgeblich den eingeschlagenen Kurs der „SeaExplorer Yacht Club de Monaco“ beeinflussen. Foto: Andreas Lindlahr

Nach dem Start gilt es für ihn und das im letzten Winter mit Foils der neuesten Generation ausgestattete Schiff zu beweisen, dass er zu den weltbesten Soloskippern gehört und den Herausforderungen des Rennens gewachsen ist. Neben seinem seglerischen Know-how wird auf See auch technisches Verständnis gefragt sein; denn alles, was an Bord durch die extremen Belastungen verschleißt oder kaputt geht, muss mit den vorhandenen Ersatzteilen vom Skipper selbst repariert werden. Dabei wird sich vermutlich die lange, intensive Vorbereitungszeit von Boris Herrmann und seinem Team auszahlen, die mit dem Boot, das 2015 gebaut wurde, seit rund vier Jahren kontinuierlich auf das Datum 8. November 2020 hinarbeiten. Die Kampagne „SeaExplorer Yacht Club de Monaco“ gilt als die am besten organisierte und vorbereitete des ganzen Rennens.

Als Glückbringer begleitet den in Oldenburg aufgewachsenen Segler ein kleines, silbernes Medaillon des Heiligen Christopherus, der Schutzheilige der Reisenden und Fahrenden. Zudem hat Greta Thunberg, die er letztes Jahr an Bord der Rennyacht über den Atlantik zum Weltklimagipfel nach New York segelte, in verschiedenen Winkeln des Schiffes kleine Zettelchen mit Zeichnungen versteckt, die der Skipper vermutlich nach und nach entdecken wird.

Im Vorfeld und während der Regatta wird sich Boris Herrmann vor allem mit dem aktuellen Wettergeschehen und Wetterstudien auseinandersetzen, die maßgeblich den eingeschlagenen Kurs seiner Yacht beeinflussen. Zudem gilt es, sich wieder „Seebeine“ wachsen zu lassen und den Körper an den brutalen Schlaf-Wachrhythmus der kommenden rund 80 Tage zu gewöhnen. In den Nachtstunden wird er sich nie mehr als eine Stunde Schlaf am Stück gönnen, ist er in eher ruhigen Passatwinden unterwegs, plant er tagsüber ein wenig länger in der Koje zu pausieren. „Ziel ist es, niemals richtig müde zu sein“ sagt er. „Wir haben die Führung der Großschot so umgebaut, dass ich sie aus meiner Koje heraus bedienen kann.“

Die erste Herausforderung für die Seglerinnen und Segler ist bereits kurz nach dem Start die von den typischen Herbststürmen aufgepeitschte Biskaya. Ist die überwunden, können die Skipper auf dem Atlantik das ganz Potenzial ihrer Schiffe ausfahren. Neunzehn der 33 Einrumpfboote sind inzwischen mit Foils ausgestattet, darunter sieben Boote der allerneuesten Generation 2020. Bei optimalen Bedingungen haben sie ein Speedpotenzial von rund 40 Knoten.

Zur größten Gefahr der Soloskipper auf See gehört ein Ramming mit einem „UFO“ (unknown floating object). Um sich vor dem Zusammenstoß mit Walen oder größeren, im Wasser schwimmenden Gegenständen zu schützen, wurde an der Bord der Yacht das Vorausschau-System OSCAR installiert, das über Warntöne Hinweise auf ein sich näherndes Objekt über und unter Wasser gibt. Nach eigenen Angaben ist es dabei dem Team um Boris Herrmann erstmalig gelungen, Autopilot und OSCAR so zu koppeln, dass der Autopilot bei einer Gefahrenmeldung selbständig reagiert und den Kurs des Schiffes korrigiert, um eine Kollision zu vermeiden. Zusätzlich zu diesem System wurde vorne an der Kielfinne ein sogenannter Walpinger installiert, der auf speziellen Frequenzen die großen Meeresbewohner vor dem Herannahen des segelnden Rennboliden warnt.

Boris Herrmann, der im letzten Jahr durch den gemeinsamen Törn mit Greta Thunberg weltweite mediale Aufmerksamkeit erhielt, wird sich auch während der Regatta weiterhin für den Klimaschutz einsetzen und von Bord aus vor allem im Southern Ocean Messungen zur Erforschung des Klimawandels durchführen. Zur Datengewinnung wurde im Boot eine spezielle, etwa handkoffergroße Apparatur installiert, die an der Kielfinne Wasser ansaugt und dann den PH- und CO2 Wert des Wassers misst.

Die Essensportionen mit dehydrierter Nahrung, die durch die Zugabe von heißem Wasser quillt und so wieder ansatzweise schmackhaft gemacht wird, hat Bors Herrmann auf 80 Tage kalkuliert. Wobei er betont, dass er nicht so lange unterwegs sein möchte. Den aktuellen Rekord auf der rund 24.000 Seemeilen langen Strecke stellte bei der letzten Auflage des Rennens 2016/17 der Franzose Armel Le Cléac’h mit 74 Tagen, 3 Stunden, 35 Minuten und 46 Sekunden auf. Es wird erwartet, dass bei diesem Rennen die Rekordmarke auf unter 70 Tage gesenkt wird. Zum Kreis der Top-Favoriten zählen nach Einschätzung von Boris Herrmann neben dem britischen „Popstar des Segelns“ Alex Thomson auf „Hugo Boss“ die französischen Hochseesegler Thomas Ruyant auf „LinkedIn“, Charlie Dalin auf „Apivia“ und Jeremie Beyou auf „Charal“.

Während des Rennens wird Boris Herrmann mit Text- und vor allem Videobotschaften regelmäßig über das Rennen berichten.

Der DSV unterstützt die Kampagne als ideeller Partner und wünscht eine sichere, erfolgreiche und schnelle Reise.