Andreas Linke vom Greifswalder Yacht-Club segelt mit seiner First 305 „Okidoki“ seit 2021 nach ORC International. Warum sich die Vermessung für sein 37 Jahre altes Schiff bezahlt gemacht hat und wie er das Regatta- und Tourensegeln kombiniert, erzählt der 51-Jährige im Interview.
Herr Linke, Ihre Okidoki ist mehr als 30 Jahre alt. Was gab den Ausschlag, sie nach ORC International vermessen zu lassen?
Andreas Linke: Ich komme eigentlich aus der Einheitsklasse, der Dyas. 2017 kaufte ich dann die First, weil ich ein Schiff wollte, mit dem man sowohl Regatten als auch Touren segeln kann. Schnell stellte ich fest: Das Ding segelt schnell! Die ersten Regatten waren lokale Yardstick-Wettfahrten, und bald ärgerten mich die Diskussionen über die Yardstick-Werte. Mit Holger Streckenbach und seiner Crew haben wir hier im Greifswalder Bodden eine Mannschaft, die das ORC-Segeln promotet, und nachdem ich mich ein bisschen damit beschäftigt hatte, war für mich klar: ORC ist die genauere Formel. Ich wollte es dann gleich richtig machen und habe eine ORC International-Vermessung beauftragt. Jetzt habe ich einen reellen Wert. Und ich kann mich mit besseren Seglern messen – gerade ORC-Regatten sind in der Regel mit vielen guten Seglern besetzt. Das macht mir Spaß, und da bin ich auch mit dem dritten, vierten, fünften Platz zufrieden – man kann sich ja nur verbessern, wenn man gegen Leute segelt, die besser sind.
Mussten Sie Ihr Boot für das ORCi-Segeln modifizieren, waren größere Investitionen nötig?
Nein. Ich habe das Schiff 2018/19 einem Komplett-Refit unterzogen, aber da habe ich nicht so sehr auf das Regattasegeln geschaut. Zwar habe ich den Fest- durch einen Faltpropeller ersetzt, ein paar alte Beschläge ausgetauscht und ein paar vernünftige Segel gekauft, aber ich habe zum Beispiel auch Schränke eingebaut, die serienmäßig nicht drin waren. Speziell für das ORC-Segeln habe ich am Schiff nichts verändert. Ich bin ohnehin der Meinung, dass man erstmal an sich selbst arbeiten muss, um gut zu segeln. Wir machen genug Fehler! Und erst wenn dieser Punkt ausgeschöpft ist und man nicht mehr weiterkommt, dann kann man anfangen und hochoptimieren.
Mit wem segeln Sie, haben Sie eine feste Crew?
Es entwickelt sich langsam dahin. 2021 bei der Doublehanded-DM bin ich mit jemandem gesegelt, den ich noch früher von der Dyas kannte, der aber vorher noch nie bei mir auf dem Boot war. Wir sind aufgestiegen und einfach gefahren. Und bei der Deutschen Meisterschaft Inshore in Olpenitz waren wir auch komplett zusammengewürfelt. Aber die Jungs, die dabei waren, die haben Spaß dran und wollen weitermachen.
Die letzte IDM Seesegeln in Olpenitz war für die Okidoki sehr erfolgreich… erzählen Sie doch mal!
Wir sind an das Event nicht mit der Ambition zu gewinnen herangegangen. Aber ich wollte schon sehen, wo wir stehen, keine Frage. Wir haben uns dann während der Wettfahrten stetig verbessert und hatten viel Spaß, das war eigentlich das Wichtigste. Dass wir dann Erste in ORC 4 geworden sind, das haben wir gerne mitgenommen, aber das war nicht das hauptsächliche Ziel.
Was bringt Ihnen als Crew das Segeln nach ORC International?
Für die Crew spielt das Verrechnungssystem erstmal keine Rolle, denke ich. Als Crew muss man sich finden, da muss die Mischung stimmen und die Chemie untereinander. Natürlich ist die Herausforderung bei ORC-Regatten höher: Wenn Sie Gegner haben, die sehr eingespielt sind, dann müssen Sie auch selbst als Crew funktionieren, sonst haben Sie keine Chance.
Ist es für Sie sehr aufwändig, das Schiff vom Cruising-Mode in den Race-Mode zu bringen?
Nö! Mein Schiff ist ja so, wie es ist, vermessen. Natürlich habe ich im Cruising-Mode die ein oder andere Sache an Bord, die bei höherwertigen Regatten von Bord geräumt werden. Ich habe auch zwei Sätze Segel, einen Regatta-Satz, der im Keller liegt, und einen Touren-Satz, aber der Aufwand hält sich auch da in Grenzen. Ein gewisser zeitlicher Aufwand ist natürlich die Anfahrt zu den verschiedenen Revieren. Aber ich plane diese Zeit für mich immer als Urlaub: Letztes Jahr habe ich mir für die Anreise nach Olpenitz eine Woche Zeit genommen und war schon zwei Tage vor dem Event vor Ort, ganz entspannt. So verbinde ich das Racing und das Cruising.
Was raten Sie Eignern, die mit einem ORC-Messbrief liebäugeln?
Das kann ich nur empfehlen! Es ist das reellere Verrechnungssystem. Ich habe bei ORC-Regatten noch keine einzige Diskussion über ORC-Werte gehört. Zudem wird bei ORC anders als bei Yardstick der Altersbonus eingerechnet und es wird berücksichtigt, dass zum Beispiel ein langsameres Schiff in einer Gruppe durch Abwinde einen Nachteil hat. Das ist fair. Und wenn man ein älteres und auch nicht so großes Schiff hat, dann ist das Segeln nach ORC auch nicht teuer! Es wäre schön, wenn mehr Eigner kleiner Boote sich in die ORC-Vermessung begeben. Bei einem entsprechend großen Feld lohnt es sich für den Veranstalter, nicht nur zwei Klassen auszuschreiben, sondern drei oder vier. Dann wird das Segel noch fairer.
Vermessungsformeln: Ein Überblick
Yardstick: Vermessungssystem für Club- und Spaßregatten. Der Yardstick-Rennwert für ein Schiff ergibt sich aus einer empirischen Betrachtung von Regattaergebnissen. Yardstick bildet eine äußerst niedrige Einstiegsbarriere, erfasst aber das Leistungsspektrum einer Yacht nicht vollständig.
ORC Club: Die wissenschaftliche Alternative zum Yardstick. ORC Club richtet sich an Teams, die eine neue sportliche Herausforderung suchen, ohne dabei gleich in den Leistungsbereich des Seesegelns einzutauchen. Für die Erstellung eines ORC-Club-Messbriefs werden die Daten der vermessenen Segel, Riggmaße, Rumpfdaten der Werften oder Schwesterschiffe und das Crewgewicht benötigt.
ORC International: Basiert auf vollständiger Vermessung und Auswertung der wissenschaftlich erhobenen Parameter für jedes individuelle Schiff. Erste Wahl für Segler, die national wie international auf höchstem Niveau segeln wollen. ORCi baut auf einem komplexen mathematischen Programm zur Geschwindigkeitsvorhersage auf, alle Messbriefe und Parameter sind öffentlich zugänglich.
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