Die 49. Auflage des Rolex Fastnet Race, die zum ersten Mal in der Geschichte vom englischen Cowes/Isle of Wight ins französische Cherbourg führte, forderte Schiffe und Crews extrem. Direkt nach dem Start hatten die Seglerinnen und Segler mit bis zu 30 Knoten Wind und heftigem Seegang zu kämpfen, zahlreiche Skipperinnen und Skipper mussten das Rennen aufgeben. Im Ziel punkteten vor allem die großen deutschen Yachten in IRC 0. Hier segelte der Hamburgische Verein Seefahrt (HVS) mit der Carkeek 47 „Störtebeker“ an der Kerr 56 „Varuna“ von Jens Kellinghusen (NRV) im Ranking vorbei und belegt mit einer jungen Nachwuchscrew sensationell den zweiten Platz in IRC 0.
„Wir können es noch immer nicht glauben“, ist das Erste, was Katrina Westphal im Telefoninterview sagt. Die 25-jährige Architekturstudentin steuerte als einzige Skipperin im Feld der großen Yachten die Carkeek 47 „Störtebeker“ über den 695 Seemeilen langen Parcours sensationell auf den 2. Platz in der Wertungsgruppe IRC 0 und ließ damit zahlreiche große Rennyachten wie „Scorpios“, „Rambler“ und auch „Teasing machine“ hinter sich.
Härtestes Rennen der Nordhalbkugel
Nach 3 Tagen, 11 Stunden und 6 Minuten ging die Yacht in der Nacht zu Donnerstag als 29. Schiff über die Ziellinie vor Cherbourg. „An allen Kaps und vor allem beim Zieleinlauf hatten wir extremes Glück mit dem Strom, der nie gegen uns lief“, erzählt Katrina Westphal. „In der letzten Nacht haben wir sogar noch einmal einen Topspeed von 20 Knoten geschafft.“
Dabei machte die 49. Auflage des Rolex Fastnet Race mit stürmischen Bedingungen direkt nach dem Start seinem Ruf als „härtestes Rennen der Nordhalbkugel“ wieder alle Ehre, 79 der 330 gestarteten Yachten mussten das Rennen frühzeitig aufgeben.
Eimerweise Wasser aus dem Boot geschöpft
„Auch in der ersten Nacht, als wir über 30 Knoten Wind und eine sehr steile Welle hatten, hatten wir keinen Ausfall durch Seekrankheit, alle waren die ganze Zeit über voll einsatzbereit“, schwärmt die Skipperin von ihrer Crew. Und bemerkt, dass die Yacht zwar unter Rennbedingungen schnell und zuverlässig, aber auch sehr nass segelt. „Wir haben Eimerweise Wasser aus dem Boot geschöpft, im Inneren glich das Schiff einer Tropfsteinhöhle, alles, was wir anhatten, bis auf die unterste Lage, war komplett durchnässt“, erzählt Katrina Westphal.
Mit diesem Top-Ergebnis hat die junge, zwölfköpfige Crew mit einem Altersdurchschnitt von 26 Jahren eindrucksvoll gezeigt, dass sich die vielen Trainingsstunden an Land und auf dem Wasser gelohnt haben. „Das alles lief nur so gut, weil ich die beste Crew, mit der ich jemals gesegelt bin, an meiner Seite hatte“, sagt Skipperin Katrina Westphal, die zum zweiten Mal an dem Rennen teilnahm. „Mit Navigator Marvin Schlesiger, der sein sechstes Fastnet gesegelt ist, hatte ich ein perfektes Zusammenspiel, alle übrigen Positionen an Bord waren schon weit Wochen fest verteilt und wir haben sehr zielgerichtet für dieses Rennen trainiert.“
Die tiefschwarze „Störtebeker“ war erst im letzten Jahr neu in dem 1903 von Albert Ballin gegründeten Ausbildungsverein gekommen, zuvor nahm sie als „Black Pearl“ an zahlreichen Regatten im Mittelmeer teil. Nach dem Gotland Rund im Juli war das Rolex Fastnet Race die zweite Regatta unter dem neuen Stander für die Yacht.
„Fantastische Leistung im hoch-kompetitiven Feld“
Voreigner Stefan Jentzsch äußerte sich in einem Kommentar auf der Website des HVS begeistert über das Abschneiden seines ehemaligen Schiffes: „Was für eine fantastische Leistung von Katrina und Crew. Das Ergebnis kann angesichts der Bedingungen und des hoch-kompetitiven Feldes gar nicht hoch genug bewertet werden!“
Varuna kollidiert mit UFO
Die Crew der „Varuna“, der zweiten großen deutschen Yachten in der Wertungsgruppe IRC 0, berichtet ebenfalls von einem sehr anstrengenden, kräftezehrenden Rennen. „Nach dem Start sind wir nur noch mit zweifach gerefftem Groß und der kleinen Genua V unterwegs gewesen“, berichtet Trimmer und Steuermann Fynn Terveer. Rund um den berühmten Fastnet Rock in der Irischen See beruhigte sich das Wetter, nach der Umrundung des Felsens gelang es der Crew. sich weit von den übrigen Yachten abzusetzen. „Unser schneller Ritt hatte aber ein jähes Ende, als wir nachts mit einem unbekannten Objekt kollidiert sind“, berichtet Fynn Terveer. „Wir vermuten, dass es ein Fischernetz oder eine treibende Boje war, die sich in unserem einen Ruderblatt verfangen hatte.“
Für die „Varuna“-Crew bedeutete das eine Vollbremsung mitten auf See, alle Mann an Deck, Code 0 furlen und dann rückwärts segeln, bis das Ruder wieder frei war. „Die ganze Aktion hat uns mindestens eine halbe Stunde gekostet, bis wir wieder auf Kurs waren und vollen Speed laufen konnten“, sagt Fynn Terver. „Aber das gehört zum Offshore-Segeln dazu, das man auch mit solchen Situationen rechnen und damit klarkommen muss. Das wir auf den letzten Meilen ins Ziel noch die „Hugo Boss“ überholt haben, freut uns sehr.“
Die dreizehnköpfige Crew von Jens Kellinghusen war bereits rund sechs Stunden vor der fast drei Meter kleineren „Störtebeker“ in Cherbourg und schaffte es gerade noch, die an der nordfranzösischen Küste heftige Tidenströmung für sich zu nutzen. „Der neue Kurs des Rennens nach Frankreich ist spannend und hat vor allem sehr viele französische Imoca-Segler dazu animiert, mitzumachen“, sagt Fynn Terver. „Aber der Strom hier ist wirklich heftig, man fährt wie auf dem Laufband – wir hatten Glück und hatten bei einem Speed von sechs Knoten nur zwei Knoten Strom gegenan.“
Zeitstrafe für „Varuna“
Der Dämpfer für das erfolgsverwöhnte Team der „Varuna“ kam heute Morgen, im Ranking wurde das Schiff mit einer saftigen Zeitstrafe von 20 Prozent bestraft, weil angeblich ein Verkehrstrennungsgebiet (TSS/Traffic Separation Scheme) missachtet wurde. Eine Anhörung vor der Jury des veranstaltenden Royal Ocean Racing Club und damit eine endgültige Entscheidung ist für heute Nachmittag geplant. Ohne die 20-prozentige Zeitstrafe rangiert die „Varuna“ direkt hinter der „Störtebeker“ auf Rang 3 in IRC 0.
Im IRC Gesamtklassement von 192 gelisteten Teilnehmern liegt die „Störtebeker“ derzeit auf dem 9. Platz, wobei sich das Ergebnis durch die kleineren Yachten, die nun erst durchs Ziel gehen, weiter verschieben wird. Insgesamt nahmen an dem Rennen 14 deutsche Yachten teil.
Informationen rund um das Rennen gibt es hier: https://www.rolexfastnetrace.com/