Mehr als 3.500 Yachten hat Gerd Kall vermessen. Präzise, unbestechlich und mit Begeisterung für technische Details machte sich der langjährige „Chefvermesser“ des DSV einen Namen in ganz Nordeuropa. Nun ist er im Alter von 81 Jahren gestorben.
Gerd Kall war kein Mensch, der viele Worte machte. Als gebürtiger Flensburger pflegte er die norddeutsche Zurückhaltung. Doch wenn er etwas sagte, dann hatte das Gewicht – denn Kall kannte sich in der Vermessung von Regattayachten so gut aus wie nur wenige.
Bereits als junger Mann arbeitete Gerd Kall sich in das Thema Yachtvermessung ein, damals noch auf den dickbäuchigen IOR-Yachten, die das Regattageschehen der Siebzigerjahre prägten. 1977 berief Friedrich „Fietje“ Judel aus der DSV-Abteilung Technik ihn zum Vermesser des Deutschen Segler-Verbands. Es war der Beginn einer prägenden Ära, in der Kall in der Vermessung von Regattayachten neue Maßstäbe setzte. Der hochgewachsene, schlanke Mann sah sich jede Yacht ganz genau an und dokumentierte lückenlos, was er maß. Robert Jacobsen aus der DSV-Abteilung Technik bringt es auf den Punkt:
„Wenn es hieß, dieses Schiff hat Gerd vermessen, dann war Ruhe.“
International engagiert, in Flensburg zu Hause
Gerd Kall, hauptberuflich an der Fachhochschule Flensburg tätig, war auch international ein gefragter Experte für das Rating von Yachten. Lange gehörte der Diplomingenieur dem Measurement Committee des Offshore Racing Congress (ORC) an und war an der Einführung des IMS- und später des ORC-Systems beteiligt. Dobbs Davis vom ORC würdigt die Verdienste von Gerd Kall:
„Seine Erfahrung und sein Einsatz waren maßgeblich, um die hohen Standards der ORC-Vermessung zu entwickeln und aufrecht zu erhalten.“
Neben deutsch und englisch sprach Gerd Kall auch fließend dänisch. Für den dänischen Seglerverband Dansk Sejlunion wirkte er an der Einführung des Dansk Handicap-Systems mit und vermaß nach dieser Formel auch im Nachbarland zahlreiche Regattayachten.
Gerd Kalls Heimathafen war der Flensburger Segel-Club. Dort lernte er als Jugendlicher das Segeln und übernahm schnell erste Ehrenämter. 24 Jahre lang war er zweiter Vorsitzender des FSC und seit 2006 Ehrenmitglied. Im Clubhafen lag sein Holz-Folkeboot, mit dem Kall bis vor wenigen Jahren aktiv segelte.
Gerd Kall hat als Ausbilder mehrere Generationen deutscher und dänischer Vermesser geprägt. Genau hinschauen, lückenlos dokumentieren, auch in Hektik nicht nachlässig werden – diese Werte des Flensburgers werden bleiben.
Der DSV verabschiedet sich mit Dankbarkeit und Hochachtung von einer großen Persönlichkeit des Segelsports. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie.