Vier Weltmeisterschaften, eine Europameisterschaft und vier deutsche Meisterschaften, dazu verschiedene Klassenregatten: Die 134. Travemünder Woche ist erfolgreich und mit vielen strahlenden Sieger*innen zu Ende gegangen. Dabei stellten die Witterungsbedingungen Organisator*innen, Wettfahrtleiter*innen und Segler*innen immer wieder vor neue Herausforderungen. Viel Regen und Wind, heftige Winddreher, Flaute und zeitweilige Gewitter sorgten immer wieder für veränderte Segelbedingungen.
„Wir hatten die schwierigsten Windbedingungen seit Jahren, das hat für lange Tage gesorgt und alle Beteiligten an die Grenzen der Belastbarkeit geführt“, sagte Jens Kath, sportlicher Leiter der Travemünder Woche zum Abschluss. „Von den 378 geplanten Wettfahrten wurden dennoch 314 ins Ziel gebracht. Alle Meisterschaften hatten ausreichend Wettfahrten und somit verdiente Siegerinnen und Sieger.“
ESA-Team gewinnt J/22 Weltmeisterschaft
Die neuen Weltmeister in der J/22 sind eine multinationale Betriebssportgemeinschaft. Jean-Michel Lautier ist Franzose, Giuseppe D’Aquino ist Italiener und Denis Neves Portugiese. Sie alle arbeiten in Den Haag für die europäische Weltraumorganisation ESA und starteten deshalb unter niederländischer Flagge. Nach 2019 ist dies der zweite Weltmeistertitel für das Trio. Silber ging an Jürgen Eiermann und seine Crew (Hansa-Segelkameradschaft Rhein-Neckar), Bronze an den Berliner Wolf Jeschonnek und sein Team vom Cöpenicker Segler-Verein.
Nacra17-Segler gewinnt Formula 18 Weltmeisterschaft
Der Schwede Emil Järudd ist zusammen mit Rasmus Rosengren neuer Weltmeister im Formula 18. Normalerweise segelt der 25-Jährige mit seiner Partnerin Hanna Jonsson im Nacra 17 und peilt nach 2021 für das kommende Jahr seinen zweiten Start bei den olympischen Spielen an. Entsprechend groß war seine Dominanz auf der Travemünder Woche, trotz einer Disqualifikation im zweiten Rennen wegen einer Wegerechtsverletzung. „Wir haben schon auf eine gute Platzierung gehofft, aber der Titel übertrifft die Erwartungen. Wir sind sehr glücklich. Die Tage waren schwierig, weil man nie wusste, was der Wind macht“, sagte Emil Järudd. Vizeweltmeister wurden die Australier Gavin Colby und Kai Colman, auf den Bronzerang kamen ihre Teamkollegen Brett Burvill und Max Puttmann. Einzige deutsche Crew in den Top-Ten waren die Brüder Helge und Christian Sach, die mit ihren 66 und 64 Jahren den Masters-WM-Titel für den ausrichtenden Lübecker YC einfuhren.
Junioren-Weltmeisterschaften im 49er und 49erFX
Junioren-Weltmeisterinnen im 49erFX wurden die Französinnen Manon Peyre und Clara-Sofia Stamminger de Moura, die mit dem WM-Gewinn den größten Erfolg ihrer jungen Karriere feierten. Vize-Weltmeister wurden die Israelinnen Illy Wureit und Yuval Barnoon vor dem italienischen Team Sofia Giunchiglia und Giulia Schio. Mit Anna Barth und Emma Kohlhoff sowie Sophie Steinlein und Max Körner auf den Rängen sechs und sieben konnten sich zwei deutsche Teams in den Top Ten platzieren.
Der Weltmeistertitel im 49er ging an das australische Team Jack Ferguson und Jack Hildebrand vor Richard Schultheis und Youenn Bertin, die unter maltesischer Flagge an den Start gingen. Dritte bei der Junioren-Weltmeisterschaft der olympischen 49er-Klasse wurden Marius Westerlind und Olle Aronsson aus Schweden. Beste Deutsche waren Valentin Müller und Moritz Fiebig auf Platz fünf.
Europa-Cup der O-Jollen
Beim Europa-Cup der O-Jollen konnte sich Harry Voss im Feld der 64 Konkurrenten durchsetzen und stand ganz oben auf dem Podest. „Travemünde ist mein Lieblingsrevier. Ich habe hier schon oft gewonnen, aber noch nie eine Meisterschaft“, strahlte der 61-jährige Segler vom Schaumburg-Lippischen Seglerverein am Steinhuder Meer. „Der EM-Titel ist mein bislang größter Erfolg. Ein Meistertitel ist immer etwas Besonderes.“ Auch die beiden weiteren Podiumsplätze wurden von Deutschen besetzt. Frank Hänsgen (Brandenburger Seglerverein Quenzsee) wurde Vize-Europameister, Alexander Kulik vom Eisenbahner Segel Verein Kirchmöser kam auf den dritten Rang.
Alexander Hagen siegt im 12-Fuß-Dinghy
Für besondere Aufmerksamkeit sorgten die Germann Open der 12-Fuß-Dinghys. Schon nach der zweiten Wettfahrt führte der ehemalige Starboot-Weltmeister Alexander Hagen vom Lübecker Yacht-Club das Feld an und gewann auf Anhieb seine erste Regatta im 12-Fuß-Dinghy. „Ich segle sehr gerne mit dem Boot und hätte es gerne mit noch mehr Wind ausprobiert. Es war schön, mal wieder bei einer Regatta zu starten und zu sehen, dass es noch funktioniert“, sagte der 68-Jährige, der dem Segeln eigentlich bereits vor 15 Jahren den Rücken gekehrt hatte. Auch die anderen beiden Podiumsplätze gingen an Segler des Lübecker Yacht-Clubs. Peer Stemmler segelte auf Platz zwei. Andreas Fuhrhop belegte Platz drei in der Gesamtwertung und den ersten Platz in der Klassik-Wertung der Holzboote.
Bayerisches Team wird Deutscher Meister im Drachen
Neuer Deutscher Meister im Drachen ist Philipp Ocker vom Münchner Yacht-Club mit Florian Grosser und Oliver Davies. Damit setzte sich die Crew gegen den frischgebackenen Weltmeister und die als Titelaspiranten gehandelten Meister- und Vizemeister vom Vorjahr durch. Auf die Frage, was der Schlüssel zu seinem Erfolg sei, antwortete Philipp Ocker: „Es gab nicht den einen Faktor. Wichtig war die Konstanz in den Ergebnissen. Und dass wir in dieser Konstellation seit 25 bis 30 Jahren zusammen segeln, hat natürlich geholfen.“ Nach dem WM-Titel der Amateure aus dem vergangenen Jahr feierte Philipp Ocker mit seinen Vorderleuten nun den nächsten großen Titel. Deutscher Vize-Meister wurde wie im Vorjahr Jan Woortmann (Norddeutscher Regatta Verein) vor Titelverteidiger Ingo Ehrlicher (Bayerischer Yacht-Club).
IDM der Seesegler
Über den bereits vierten Deutschen Meister-Titel mit dem Projekt „Immac Fram“ freute sich Kai Mares. Die Seesegel-Crew aus Kiel hatte die Yacht in den vergangenen eineinhalb Jahren ins Mittelmeer gelegt, um dort neue Impulse zu sammeln, und ist zur Kieler Woche in den Norden zurückgekehrt. Der Fokus der Mannschaft liegt auf der WM in zehn Tagen vor Kiel. „Die Weltmeisterschaft ist der Abschluss und Höhepunkt dieses Projekts. Auf dem Weg dahin war der Plan, noch einmal die Deutsche Meisterschaft zu gewinnen“, sagte Skipper Kai Mares (Kieler Yacht-Club). Hinter der „Immac Fram“ landeten die „Aquaplay“ von Max Habeck (Verein Wassersport Lesum) und die „Elli“ von Thorben-Henryk Strube (Sail Lollipop Regatta Verein) auf den Plätzen zwei und drei der Deutschen Meisterschaft in den ORC-Gruppen C+D.
Die Gruppe der großen Yachten (ORC A+B) brachte keine ausreichend große Flotte an den Start, um als Deutsche Meisterschaft gewertet zu werden. Die Bestenermittlung gewann schließlich die „Intermezzo“ von Jens Kuphal (Berliner Yacht-Club) vor Michael Berghorn (Kieler Yacht-Club) mit seiner „Halbtrocken 4.5“ und dem Finnen Jani Lehti mit „Mercedes Benz“. „Für uns war das ein sehr gutes Training für die WM. Im Laufe der Tage haben wir uns gesteigert und fahren jetzt mit einem guten Gefühl nach Kiel. Nachdem wir vor zwei Jahren schon Zweiter waren, wollen wir jetzt wieder in die Top-Fünf. Das Feld ist stark, aber es ist alles möglich“, sagte Jens Kuphal, der das letzte halbe Jahr als Teammanager des The Ocean Race Teams „Guyot-Environment – Team Europe“ stark in das Weltrennen eingebunden war.
Der Meistertitel im Seesegeln Double Handed ging an Andreas Grasteit und seine Frau „Birte“ vom Lübecker Yacht Club auf ihrer „Grace“. Vizemeister wurden die Rostocker Uwe Kleinvogel und Michael Haupt auf „Nemo“.
Sailing Champions League und Segel-Bundesliga
Das Team der Segel-Bundesliga war eine ganze Woche am Strand mit seinem Beach Camp präsent und trug erst die Finalwettfahrten der SailingChampions League und dann den zweiten Spieltag der Saison 2023 der Bundesliga-Team der 1. und 2. Liga aus. Der Sieg im Turnier der besten europäischen Vereinsmannschaften ging dieses Jahr an den finnischen Verein Åländska Segelsällskapet, die sich letztes Jahr noch dem Team vom Norddeutschen Regatta Verein geschlagen geben mussten. Zweiter wurde die Crew des Segel- und Motorbootclub Überlingen vor dem Drittplatzierten Yacht Club Gdansk. Als vierter Verein hatte sich der Berliner Yacht-Club für die Finalrennen der besten vier Clubs qualifizieren können.
In der zweiten Wochenhälfte trugen die je 18 Teams der 1. und 2. Segel-Bundesliga ihren zweiten Spieltag aus. Im Oberhaus der Segler*innen konnte das Team des NRV mit Routinier Tobias Schadewaldt an der Pinne den Spieltag knapp vor den Verfolgern vom VSaW gewinnen, in der zweiten Liga setzte sich ein sehr junges Team des Bayerischen Yacht-Club ganz knapp gegen die Verfolger vom Blankeneser Segel-Club durch. Vor dem dritten Spieltag im August in Kiel führen nun der NRV in der 1. Liga und der Joersfelder Segel-Club in der 2. Liga die Tabelle an. „Es waren sehr wilde Bedingungen in den vergangenen drei Tagen: Am ersten Tag haben wir bis 14 Uhr auf Wind gewartet und am zweiten Tag kam die dicke Regenfront. Wir hatten wenig, mittleren und viel Wind, teils mit vielen Drehern. Aber wir haben 13 von 16 möglichen Flights in beiden Ligen geschafft“, resümierte Anke Nowak, Geschäftsführerin der Segel-Bundesliga.
Im Rahmen der Travemünder Woche trugen auch die Dyas, Korsare, Finn Dinghys und H-Boote ihre Ranglistenregatten aus. Alle Einzelergebnisse der 134. Travemünder Woche sind über Manage2Sail abrufbar.
DSV präsentiert inklusives Segeln
Während der gesamten Woche war der DSV mit einem großen Informationsstand auf der Meile „Am Leuchtenfeld“ präsent. Zehn Tage lang informierte DSV-Präsidentin Mona Küppers persönlich über alle Serviceangebote des DSV und die verschiedenen Führer- und Segelscheine – vor allem aber über die vielfältigen Möglichkeiten für inklusives Segeln, die die Mitgliedsvereine bundesweit anbieten. Fachkräftige Unterstützung erhielt Mona Küppers dabei von Elke Paatz, die für den DSV den Bereich Inklusion betreut, sowie vom Segler-Verein Wakenitzund der Segler-Vereinigung Kiel, die intensiv den Ausbau ihrer inklusiven Segelangebote vorantreiben. Mona Küppers: „Der Austausch mit den vielen Wassersportlerinnen und Wassersportlern vor Ort ist für uns extrem wichtig, so entstehen auch viele Anregungen und Ideen für unsere künftigen Projekte.“
Weltmeisterschaften, IDM, IDJM und Grand Prix 2024
Auch im „kleinen Jubiläumsjahr“ 2024 werden im Rahmen der 135. Travemünder Woche wieder Meistertitel vergeben: Drei Weltmeisterschaften im Javelin, Flying Junior und International Canoe sind fest eingeplant, dazu die Deutsche Meisterschaft der Starboote und die Internationalen Deutschen Jugendmeisterschaften im Opti und Teeny. Die Optis werden auf dem Priwall ihr TW-Domizil haben. Ebenso wie die Drachen, die nach der IDM in diesem Jahr nächstes Jahr mit einem Grand Prix ein internationales Top-Event der ehemals olympischen Kielbootklasse austragen werden. Die 135. Travemünder Woche findet vom 19. bis 28. Juli 2024 statt.