Leichte nordöstliche Winde und viel Sommersonne gab es auch am letzten Wochenende der großen Regattawoche vor Kiel. In acht internationalen Bootsklassen ging es um den Kieler Woche Sieg, die 29er trugen ihren Euro-Cup aus und die J/70 ihre IDM 2023. Die Seesegler beendeten die Regattawoche traditionell mit den Regatten um den Senatspreis der Stadt Kiel und das Silberne Band.
„Das war eine ausgesprochen anspruchsvolle Kieler Woche mit fast ausschließlich Leichtwindtagen, aus denen die Wettfahrtleiterteams das Meistmögliche herausgeholt haben“, resümierte Regattaorganisationsleiter und DSV-Vizepräsident Dirk Ramhorst die neun Tage von Schilksee. Insgesamt wurden 282 Rennen über die acht Bahnen gebracht. Dabei erlebten die Aktiven durchgehend mediterrane Sommerbedingungen.
Große Enttäuschung bei der IDM der J/70
Für Eruptionen und Unverständnis bei einigen Beteiligten sorgte das Ergebnis der Internationalen Deutschen Meisterschaft der J/70. Beim Blick auf das Ranking wurde vor dem letzten Regattatag deutlich, dass die bislang mit Abstand führenden Spitzenreiter mit 470er-Ass und German Sailing Team-Mitglied Malte Winkel am Steuer nicht den ersehnten Meistertitel bekommen, sondern aufgrund einer von vielen überlesenen Klassenregel für die Meisterschaft disqualifiziert werden.
Hintergrund war ein Protest gegen 40 (!) der 53 teilnehmenden Crews, der noch am Sonntagabend verhandelt wurde und massive Auswirkungen auf die Spitze des Feldes hatte. Anlass waren die Klassenregeln der J/70, nach denen die Steuerleute vom Weltverband World Sailing entweder als Amateur klassifiziert oder als Profi auch (Mit-)Eigner der von ihnen gesegelten J/70 sein müssen. Die internationale Klassenvereinigung hatte das technische Komitee der Kieler Woche auf die große Zahl ungeklärter Status-Situationen hingewiesen, sodass ein Protest gegen die betroffenen Segler unumgänglich war.
Im Nachgang konnte das Gros der Segelnden seinen Status klären und kassierte für das vorherige Versäumnis lediglich eine Ein-Punkt-Strafe. Mit voller Härte traf die Entscheidung der Jury aber die Führungscrew um Malte Winkel. Als Mitglied des German Sailing Teams hat er nach Auffassung von World Sailing den Profi-Status, ist aber nicht Eigner des Bootes, so dass er und sein Team für alle Wettfahrten disqualifiziert wurden. Damit ging die IDM ohne die Winkel-Crew in die Entscheidung.
„Nach so viel Spaß, den wir als Team zusammen hatten, und nach dieser starken Leistung, mit der wir uns in der J/70-Klasse gezeigt haben, ist es so ziemlich das Schlimmste, was uns passieren konnte“, sagte Malte Winkel, der mit Theres Dahnke, Moritz Klingenberg und Mika Trosien zusammen segelte, in einem Statement auf Instagram. „Dass wir nach drei Segeltagen kurz vor Schluss aufgrund einer Klassenregel disqualifiziert werden, ist brutal. Wir waren uns wie all die anderen Teilnehmer dieser Klassenregel nicht bewusst. Was uns bleibt, sind die tollen Tage, die wir als Team auf dem Wasser hatten und unsere herausragende Segelleistung, die ehrlich und hart erarbeitet wurde.“
Nach drei weiteren Rennen am Abschlusstag gewann das Schweizer Team um Steuermann Stefan Seger. Dahinter folgten Michael Grau (Norddeutscher Regatta Verein) und der Schwede Erik Lindén mit ihren Crews. Alle Ergebnisse sind hier veröffentlicht.
Euro-Cup der 29er
Im riesigen Feld von 168 Booten bei den 29ern zeigte sich zum Abschluss der Euro-Cup-Regatta, wie wichtig konstante Ergebnisse sind. Die Brüder Anton und Johann Sach machten am Abschlusstag zunächst mit Top-Ten-Platzierungen einen großen Schritt in Richtung Podium, verspielten dann aber alles durch einen 31. Platz in der finalen Wettfahrt und wurden insgesamt Siebte. Bereits im ersten Teil der Kieler Woche waren sie im 49erFX an den Start gegangen. Im 29er, dem „kleinen Bruder“ des olympischen 49er, siegten die Dänen Nicklas Holt und Katja Visby Svendsen vor den direkten Verfolgern aus Frankreich und Großbritannien. Alle Ergebnisse der 29er gibt es hier.
Amtierende Weltmeister siegen im Flying Dutchman
Schon nach sieben Wettfahrten war klar, dass den amtierenden FD-Weltmeistern Kay-Uwe Lüdtke (Yacht-Club Berlin-Grünau) und Kai Schäfers (Hannoverscher Yacht-Club) niemand mehr den Kieler Woche Sieg nehmen kann. Die Generalprobe des Erfolgsduos in der ehemals olympischen Zweihandklasse Flying Dutchman vor der Weltmeisterschaft im Juli vor Gdynia ist geglückt. „Wir wollten hier noch mal einen schönen Vergleich haben für die WM in drei Wochen. Bisher konnten wir noch nicht so viel trainieren in diesem Jahr“, sagte Kai Schäfers. Das Erfolgsduo wurde auch mit der Kommodore-Schale des Kieler Yacht-Clubs als Punktbeste ausgezeichnet, Auf den zweiten Rang kamen Kilian König und Johannes Brack (HYC) vor den Spaniern Fran Martinez/Pepe Ruiz. Einen Überblick über das Gesamtranking gibt es hier.
Max Billerbeck siegt im Contender
Ein vierter Platz zum Start in den Schlusstag reichte Max Billerbeck vom Wassersportverein Kollmar bereits, um sich den Gesamtsieg im Contender zu sichern. Sein dänischer Trainingspartner Jesper Armbrust kam auf den zweiten Rang, gefolgt von seinem Landsmann Sören Dulong Andreasen. Für Max Billerbeck, der 2019 Weltmeister in der Einmannjolle mit Trapez wurde, war es der erste Kieler Woche Sieg. Als nächstes internationales Event steht die Weltmeisterschaft in Australien auf dem Programm vieler „Conti“-Segler. Die Ergebnisse der mit 48 Startenden gut besetzten Contender-Klasse gibt es hier
ILCA 6 open bis zum Schluss spannend
Es wurde eng im Feld der Nachwuchsakteure der ILCA 6 um den Gesamtsieg – zumindest nach dem vorletzten Tag. Doch mit einem Sieg und einem zweiten Platz zum Abschluss verteidigte der Oldenburger Paul Ulrich (Zwischenahner Segelklub) seine Spitzenposition letztlich souverän. „Da habe ich mich noch gut gerettet“, sagte der 16-Jährige, der zum ersten Mal die Kieler Woche gewinnen konnte. Hinter Ulrich kamen der Niederländer Hidde Schraffordt und Stephanie Norton aus Hongkong auf die weiteren Podiumsplätze. Für die Nachwuchsseglerinnen und Segler der olympischen Jolle geht es nun weiter zur Warnemünder Woche, kurz darauf beginnen die Europameisterschaften in Polen. Insgesamt hatten 147 Seglerinnen und Segler im ILCA 6 für die Kieler Woche 2023 gemeldet.
Im ILCA 4 dominierten die jungen Seglerinnen und Segler, die letztes Jahr noch im Optimisten erfolgreich waren. Unangefochten segelte Levian Büscher vom Düsseldorfer Yacht-Club seinem ersten Kieler Woche Erfolg entgegen, nach der Thailändern Weka Bhanubandh kam Clara Bohnhagen vom Zwischenahner Segel-Klub auf den dritten Rang.
J/24-Podium fest in Hamburger Hand
Das Rennen um die Podiumsplätze in der J/24 Klasse machten die etablierten Hamburger Teams unter sich aus. Am letzten Tag gelang es der Crew von „Hungriger Wolf“ mit Steuermann Fritz Meyer (Seglervereinigung Altona-Oevelgönne) noch an den Konkurrenten vorbeizuziehen und sich den Kieler Woche Sieg zu sichern. Zweiter wurde Stefan Karsunke (Segelclub Oevelgönne) mit seiner Crew, auf den dritten Rang kam Manfred König, der unter dem Stander des Hamburger Segel-Club an den Start ging.
Mit nur 16 Startenden war die Europe-Klasse vor Kiel nur schwach vertreten. Es siegte der Franzose Cyril Richard vor Marisa Roch vom Kieler Yacht-Club und Tania Tammling (Sail-Lollipop Regatta Verein.)
Senatspreis und Silbernes Band
Die Mittel- und Langstreckenrennen um den Senatspreis und das Silberne Band bilden traditionell den Abschluss für die Seesegler der Kieler Woche. Am Freitagmorgen startete die Flotte der Double-Handed-Crews vor Schleimünde zur 17 Seemeilen langen Rückregatta des Senatspreises nach Kiel. Am Abend wurde das Nachtrennen um das Silberne Band über 135 Seemeilen in die dänische Südsee gestartet.
Hatten die Senatspreis-Segler noch ein angenehme Sommerbrise von acht bis zehn Knoten auf ihrem Kurs, wurde es für die Yachten der Langstrecke ein extra langer Törn. Vorausschauend wurde das Zeitlimit bereits im Vorfeld von 24 auf 36 Stunden angehoben.
Insgesamt 24 Yachten mit voller Crewstärke oder auch Doublehanded nach ORC und auch Yardstick nahmen an der Regatta teil Die Ergebnisse der Langstrecke Silbernes Band sind hier zusammengefasst.
„Mit den Langstrecken Aalregatta und Silbernes Band sowie dem Kiel Cup hat sich gezeigt, dass die Kieler Förde auch bei wenig Wind ein hochanspruchsvolles Segelrevier ist“, sagt Johannes Christophers, Leiter Technik und Seeregatten beim DSV. „Ich freue mich, dass so viele Teams die Kieler Woche zum Vortraining für die ORCi-Weltmeisterschaften im August genutzt und sich so mit dem Revier vertraut gemacht haben.“
Ausblick auf das olympische Jahr 2024
Für das kommende Olympiajahr 2024 möchte Dirk Ramhorst mit seinem Team „intensives Kundenmanagement“ betreiben, sowohl mit den nationalen Segelverbänden anderer Länder als auch den Klassenvereinigungen, um möglichst große Felder mit der Topelite des Segelsports nach Kiel zu locken. Rund vier Wochen vor Beginn der olympischen Sommerspiele soll die Kieler Woche die perfekte Testregatta für die Olympioniken sein, das Revier in Marseille wird zu diesem Zeitpunkt bereits abgesperrt. Für quantitativ große Felder auch in den internationalen Bootsklassen soll verstärkt bei den Klassenvereinigungen geworben werden. Mit Blick auf die kommenden Jahre mahnte Dirk Ramhorst beim Weltsegelverband Terminschutz gegenüber anderen Großevents und auch deren exklusiven Trainingsslots an, um die Aktiven der Weltspitze weiterhin nach Kiel zu holen.
Die nächste Kieler Woche findet vom 22. bis 30. Juni 2024 statt.