Vor 50 Jahren fanden in Kiel-Schilksee die olympischen Segelwettbewerbe statt. Dieses besondere Jubiläum wurde nun mit einer Revival-Regatta der damaligen olympischen Klassen gefeiert. Drachen, Stare, Flying Dutchman und Tempest segelten wie 1972 auf der Förde. Nur ging es diesmal nicht um olympische Medaillen, sondern um Weltmeister- und Internationale Deutsche Meistertitel.
Bei den Tempest machten Markus Wieser und Thomas Auracher den Titel-Hattrick perfekt und wurden nach 2019 und 2021 wieder Weltmeister in der 6,70 Meter langen Kielbootklasse mit Trapez. Das Team Wieser/Auracher, das für den Verein Seglerhaus am Wannsee an den Start ging, segelt seit 2019 zusammen Tempest und startete seine Erfolgsserie direkt mit dem Gewinn des Weltmeistertitels in dieser ehemals olympischen Bootsklasse.
Mit zwei Tagessiegen und einem zweiten Platz konnten sie bei den Titelkämpfen vor Kiel ihre ärgsten Verfolger, die Berliner Brüder Lars und Leif Bähr, knapp auf Distanz halten. Die Bähr-Brüder sind die Neffen des ehemaligen DSV-Präsidenten Rolf Bähr, der ihnen für dieses besondere Event sein Boot zur Verfügung stellte und selbst an der Förde vor Ort war, um sich den besonderen Anblick der olympischen Bootsklassen von 1972 nicht entgehen zu lassen.
Neffen von Rolf Bähr am Start
„Ihr wart absolut gleichwertig. Das hat Spaß gemacht mit Euch“, sagte Markus Wieser nach dem knappen Sieg. „Nicht nur, weil wir den Titel gewonnen haben, sondern weil die Tempest ein richtig cooles Boot ist. Es ist ein bisschen wie ein vollgelaufener Flying Dutchman – nicht ganz so schnell, aber genauso schön technisch. Die Tempest macht einfach einen Riesenspaß.“
Lars und Leif Bähr, die bei der Weltmeisterschaft ihre vierte gemeinsame Regatta im Tempest bestritten, zeigten sich mit ihrem Ergebnis mehr als zufrieden. „Wir sind superglücklich. Für unseren Onkel ist es toll, dass seine Neffen den Segelsport in der Tempest weiterführen“ sagte Leif Bähr, der ebenfalls unter dem Stander des VSaW segelte.
Auf den dritten Platz kamen die Ex-Weltmeister Christian Spranger und Christopher Kopp vom Seebrucker Regatta-Verein. Alle Ergebnisse von der Weltmeisterschaft der Tempest 2022, an der insgesamt 33 Teams aus sechs Nationen teilnahmen, gibt es hier
Erster Meistertitel im FD für Team Lüdtke/ Schäfers
Bei den Flying Dutchman wurde der Kampf um den internationalen deutschen Meistertitel wie schon bei der Kieler Woche zwischen den Nationen Deutschland und Ungarn ausgetragen. Die viermaligen deutschen Vize-Weltmeister Kay-Uwe Lüdtke (Yachtclub Berlin Grünau) und Kai Schäfers (Yachtclub Westfalia Arnsberg) arbeiten schon lange daran, die osteuropäischen Rekordweltmeister Szabolcs Majthény und András Domokos zu entthronen.
Bei der Meisterschaft vor Kiel konnte diesmal das deutsche Team punkten. Mit einem Tagessieg zum Abschluss sicherte sich das Duo endlich den begehrten Titel. „Endlich hat es geklappt. Dieses Selbstvertrauen nehmen wir nun gern mit an den Gardasee zur Weltmeisterschaft“, sagte Kay-Uwe Lüdtke. „Wir waren schon häufiger in der Position, die Ungarn zu schlagen, haben aber im entscheidenden Rennen immer Fehler gemacht.“ Das ungarische Team Majthényi/Domokos wurde Vizemeister, Shmuel Markhof und Lars Stöckmann (Hannoverscher Yacht-Club/ Schaumburg Lippischer Seglerverein) kamen auf den dritten Platz.
Olympionike Ulli Libor wieder im FD dabei
Segel-Legende Ulli Libor, FD-Bronzemedaillengewinner von 1972, nahm zusammen mit Ernst Greten an der Regatta teil. „Der FD ist deutlich schneller geworden und damit auch anstrengender“, sagte er nach den Rennen. Der FD ist bei Familie Greten „Familiensache“. Sohn Tom nahm mit seiner Frau Meike, DSV-Vizepräsidentin für den Bereich Aus- und Weiterbildung, ebenfalls an der Meisterschaft teil. Das Paar konnte den familieninternen Wettstreit gegen Sohn Lukas Greten, der mit Ben Bielort an den Start ging, mit fünf Plätzen Vorsprung für sich entscheiden.
Insgesamt nahmen an der Meisterschaft 51 Teams aus sechs Nationen teil, alle Ergebnisse gibt es hier
Bei den Starbooten, die vor Kiel ihre nordeuropäische Meisterschaft aussegelten, siegte das deutsch-dänische Team Markus Koy/ Jorgen Schonherr. Die Drachen trugen im Rahmen der Revivals ihre norddeutsche Meisterschaft aus. Der Titel ging an einen Bayern: Ingo Ehrlicher und seine Crew gewannen den Titel und versprachen, ihn im kommenden Jahr zu verteidigen.
Die Ergebnisse der Stare und Drachen vor Kiel gibt es hier
Die Revival-Regatten fanden mit maßgeblicher Unterstützung des Deutschen Segler-Verbandes statt, der in Kiel-Schilksee einen seiner Stützpunkte hat. Der DSV lud alle Teilnehmenden zum ersten DSV Clubabend mit anschließendem Buffet in die Räume des DSV in Schilksee. Zu der Diskussion unter dem Titel „Olympische Spiele – gestern, heute, morgen“ mit den Olympiateilnehmern von 1972 Ulli Libor, Heinz Laprell (Tempest), Hans-Christian Schröder (Finn) sowie den aktuell Aktiven Alica Stuhlemmer und Ole Schweckendieck auf dem Podium, kamen viele interessierte Zuhörer. Ebenfalls bis auf den letzten Platz besetzt waren alle Stühle beim DSV Kinoabend, bei dem der NDR Film „XX. Olympische Spiele vor Kiel“ aus dem Jahr 1972 gezeigt wurde.
Die erfolgreichen Wettfahrten der ehemaligen olympischen Klassen nahm Mona Küppers bei der Siegerehrung zum Anlass, sich für eine erneute Austragung der olympischen Segelwettbewerbe in Deutschland stark zu machen.