Die Kieler Woche 2022 hatte wettertechnisch alles im Angebot: Sehr viel Wind und Flaute, frische Temperaturen und hochsommerliche Wärme, die den Seglerinnen und Seglern auf der Kieler Förde Karibik-Feeling bescherte. Insgesamt wurden vor „Sailing City Kiel“ in einer Woche insgesamt 326 Wettfahrten gesegelt, rund 4.000 Seglerinnen und Segler waren am Start.
Gesegelt wurde in 27 verschiedenen Klassen auf neun Regattabahnen, von der fliegenden Waszp über die Folkeboote, die internationalen und olympischen Klassen bis zu den großen Yachten war das ganze Spektrum des Segelsports vor Kiel am Start. Höhepunkt für alle „Sehleute“ war wieder die traditionelle Windjammerparade mit 70 Traditionsseglern, die rund 130.000 Zuschauer anlockte
Kiel Cup für „Intermezzo“ und „Halbtrocken“
Die Teilnehmer des Kiel Cup, einer Serie von Kurzwettfahrten, Up- and Down-Wettfahrten und Coastal Races, mussten sich jedem Tag einem neuen Witterungsszenario anpassen. War an einem Tag der Wind noch so stark, dass gerefft werden musste und Spinnaker zerplatzen, waren schon einen Tag später Leichtwindqualitäten und entsprechend Nerven gefordert. Offshore-Wettfahrtleiter Eckart Reinke gelang es aber, für den Kiel-Cup das Maximum an Möglichkeiten herauszuholen. Die sechs Wettfahrten in drei Tagen forderten von den Mannschaften nicht nur gute Seemannschaft, Trimm und Taktik, sondern auch navigatorische Fähigkeiten. Die neuen, innovativen Kurse der Mittelstrecke-Rennen waren auch ein Testlauf für die ORC-Seesegel-Weltmeisterschaft, die im August 2023 vor Kiel ausgetragen wird.
Dabei hatte Wettfahrtleiter Eckart Reinke einen besonderen Blick auf die Mittelstrecken-Rennen, deren Kurssetzung er bereits beim Offshore Racing Congress (ORC) eingereicht hat, um sie auch zur WM segeln zu können. „Aus unserer Sicht haben die Kurse ihre Erwartungen erfüllt. Wir wollten zeigen, dass Seesegeln mehr ist, als Yachten wie große Jollen zu bewegen. Zum Seesegeln gehört eben auch Navigation. Da muss die Crew auch mal eine Seekarte hervorholen, Strömung berechnen und den besten Kurs abstecken“, erklärt der international erfahrene Wettfahrtleiter. „Dass diese Herausforderung funktioniert hat, macht uns glücklich und stolz. Jetzt warten wir auf eine Entscheidung des ORC.“
Mit drei Siegen, zwei zweiten Plätzen und einem vierten Rang als Streicher setzte sich die modifizierte Landmark 43 „Intermezzo“ von Jens Kuphal (Berliner Yacht-Club) in der ORC I+II Wertung vor der XP-44 „Xenia“ von Ralf Lässig (Wassersportverein Wulsdorf) und den Weltmeistern 2021 auf der „Halbtrocken 4.5“ von Michael Berghorn (Kieler Yacht-Club) durch. Im Feld der kleineren ORC III+IV Yachten siegte souverän Knut Freudenberg von der Segler-Vereinigung Flensburg mit seiner First 36.7, die ebenfalls auf den Namen „Halbtrocken“ getauft wurde. Hinter ihm landeten die „Xen“ aus der DHH-Regattagruppe mit Steuermann Bernd Dreier und die modifizierte X-332 „Sophus“ von Jochen Kunze aus dem Yacht-Club Langballigau auf den folgenden Plätzen.
Silbernes Band mit wenig Wind
Die Seesegler erlebten bei der Langstrecken-Wettfahrt rund um Langeland am letzten Regattawochenende eine Nacht voller Nervenanspannung, beherrscht von der Suche nach dem nächsten Windstrich. Eine Reihe von Yachten brach das Rennen ab, sodass von den 30 gemeldeten Yachten nur 16 über die Ziellinie gingen.
In der größten Startgruppe der ORC II Yachten gewann die Eckernförder „Surprise“ von Marie-Ivonne Otisi-Schaarschmidt (Segelclub Eckernförde), gefolgt von der „Edelweiss“ von Thomas Reinecke aus dem Segel-Club Oevelgönne von 1901. Bei den großen ORC I Yachten gewann die Fast 40+ „X-Day“ mit Skipper Lars Hückstädt unter dem Stander des Plöner Segler-Verein 1908, in der Gruppe ORC III+IV siegte die Dehler 30 OD „Play Harder“ von Dirk Tschierschke (Sail-Lollipop Regatta Verein). Die Doublehand-Wertung entschied Jens Dwinger vom Yachtclub Strande mit seiner „Dwinger 2.0“ für sich, nach Yardstick gewann Rüdiger Fuchs vom Mühlenberger Segel-Club auf der Hanse 400e „Carlotta“, erster in der Yardstick Doublehand-Wertung war Jens Peter Weissmann zusammen mit Nicole Nehrlich auf „Colombine“.
Rick Peacock ist Musto Skiff-Weltmeister
Über seine erste Medaille bei einer Musto Skiff-Weltmeisterschaften freut sich der Brite Rick Peacock, Trainer der niederländischen 49er- Mannschaft, der sich im letzten Jahr noch mit dem Vize-Weltmeistertitel begnügen musste. Auf Platz zwei kam der Südafrikaner Andy Tarboton vor dem Briten Peter Greenhalgh. Der Büdelsdorfer Iver Ahlmann kam als bester Deutscher auf Rang 14.
Internationales Podium bei J/24 und J/70
Carsten Kemmling und Crew waren in der J/70 unschlagbar. Foto: www.segel-bilder.deCillian Dickson aus Irland gewann mit seiner Crew bei den J/24 vor den beiden Hamburger Crews von Stefan Karsunke (Blankeneser Segel-Club) und Jan Kähler (Altonaer Segel-Club). Für den Iren ein mehr als gelungener Test vor der J/24-Europameisterschaft, die im August in seinem Heimatclub stattfindet. „Da ist unser Ziel natürlich die Goldmedaille. Vorher fahren wir noch zu den Nationals in Großbritannien. Aber hier waren auch schon einige Crews dabei, die wir zur EM wiedersehen werden“, sagt er nach seinem ersten Kieler Woche Sieg. Bei den J/70 siegte Carsten Kemmling (Norddeutscher Regatta Verein) mit seiner Crew vor dem Dänen Bo Böje Pedersen und Florian Spalteholz (Norddeutscher Regatta Verein).
Viel Besuch beim DSV in Schilksee
Gut besucht waren die Räume des DSV in Kiel-Schilksee während der gesamten Regattawoche. Zahlreiche Mitglieder des Präsidiums und Mitarbeiter der Geschäftsstelle waren die ganze Woche vor Ort, informierten über die Arbeit des DSV und sein Leistungsspektrum und führten viele informative und beratende Gespräche. DSV-Präsidentin Mona Küppers nahm zudem an dem Abend für alle Helferinnen und Helfer der Kieler Woche teil und lobte das große ehrenamtliche Engagement, ohne das die Kieler Woche in dieser Form nicht möglich wäre.
Ausblick auf 2023
Nach der rundum erfolgreichen Kieler Woche 2022 blickt das Organisationsteam um Dirk Ramhorst, DSV-Vizepräsident für den Bereich Leistungssegeln, optimistisch in die Zukunft. Im kommenden Jahr wird die sportliche Bedeutung weiter gesteigert, um noch mehr Spitzenseglerinnen und -segler nach Kiel zu holen. Im Zuge der deutschen Olympiaausscheidung und anderer Nationen für Paris 2024 sollen alle zehn Disziplinen ausgeschrieben werden, also erstmals auch Kitesurfen. Außerdem drängen die Veranstalter beim Weltsegelverband auf einen Weltcup-Status. Die Kite-Surfer würden dann voraussichtlich vorm Ostufer der Außenförde zwischen Wendtorf und Heidkate starten, müssten aber mit einem Wassershuttle aus dem Olympiazentrum Schilksee übergesetzt werden.
Festhalten will die Kieler Woche an jeweils einem hochkarätigen Titelkampf wie WM oder EM in beiden Teilen. Dieses Jahr waren es der Gold Cup der Folkeboote und die Musto Skiff-Weltmeisterschaft.
Die nächste Kieler Woche wird vom 17. bis zum 25. Juni 2023 stattfinden. Veranstalter sind der Kieler Yacht-Club, der Norddeutsche Regatta Verein und der Berliner Verein Seglerhaus am Wannsee.