Was ist die Grundvoraussetzung für Kinder und Jugendliche, wenn sie einen Segelkurs machen möchten? Sie müssen sicher schwimmen können und ein Freischwimmerabzeichen haben. Doch die Zahl der Mädchen und Jungen, die in Deutschland im Vor- und Grundschulalter sicher schwimmen lernen, nimmt rapide ab. Ursache dafür sind vor allem zu wenig Kursangebote und der Sanierungsstau in den öffentlichen Schwimmbädern. Zusammen mit den Jugendorganisationen der deutschen wassersporttreibenden Spitzensportverbände hat der DSV einen Forderungskatalog zum Ausbau der Schwimmangebote veröffentlicht.
In Deutschland kann inzwischen ein Fünftel der sechs-bis zehnjährigen Kinder nicht mehr schwimmen, Tendenz steigend. Ursache für die Misere der deutschen Schwimmausbildung: zu wenig öffentliche Schwimmbäder, zu wenige Kurse und ein akuter Mangel an Schwimmlehrerinnen und -lehrern. Hinzu kommt, dass die Schwimmkurse für Anfänger in den Nachmittagsstunden mit anderen, für die Schwimmbäder lukrativeren Kursangeboten wie Aquafitness, Babyschwimmen und Präventionskursen konkurrieren. „Dieser Effekt der fehlenden Kursangebote und Kurszeiten wird durch die Ganztagsbetreuung in den Schulen noch verstärkt, da die Kinder teils erst ab 16 Uhr Zeit für einen Nachmittagskurs im Schwimmbad haben“, verdeutlicht DSV-Präsidentin Mona Küppers und fordert: „Schwimmunterricht sollte verstärkt von den Schulen angeboten werden und Teil der Grundschulzeit sein.“
Mit einem gemeinsamen Statement und einer social media Kampagne setzen sich nun die Deutsche Kanujugend, die Deutsche Schwimmjugend, die Deutsche Ruderjugend, die Jugendorganisation im Verband Deutscher Sporttaucher und die Deutsche Seglerjugend für den massiven bundesweiten Ausbau von Schwimmkursen ein. Neben dem gemeinsamen Ziel, mehr Schwimmkurse anzubieten und die Schwimmausbildung zu verbessern, fordern die großen deutschen Wassersportverbände zudem eine Verbesserung der Infrastruktur aller Sportstätten in Deutschland.
In der gemeinsamen Erklärung der fünf Jugendorganisationen, die zusammen über 500.000 aktive Sportlerinnen und Sportler vertreten, wird betont, dass Schwimmen ein unverzichtbares Kulturgut und Teil der aktiven Freizeitgestaltung ist. Schwimmen fördert zudem die die Geschicklichkeit, Ausdauer und koordinativen Fähigkeiten und sorgt für Sicherheit an den Küsten und Badeseen. Zudem ist Schwimmen unerlässlich für die Ausbildung in zahlreichen Wassersportarten „Schwimmen zu können ist so wichtig wie Laufen und sollte selbstverständlich sein“, unterstreicht Mona Küppers. „Dazu ist Schwimmen eine der gesündesten Sportarten und insbesondere in den Wintermonaten für Seglerinnen und Segler ein ausgezeichnetes Athletiktraining.“
Kinder sollten nach vorheriger Wassergewöhnung etwa ab dem fünften Lebensjahr Schwimmen lernen, Oftmals gelingt es jedoch nicht, für die Kindergarten- und Vorschulkinder einen Platz in einem Schwimmkurs in einem öffentlichen Schwimmbad zu finden: Die Wartelisten sind lang, zahlreiche Bäder haben einen Aufnahmestopp verhängt – auch, weil es an ausgebildeten Schwimmlehrerinnen und -lehrern sowie Aufsichtspersonen fehlt.
Eine Alternative sind private Schwimmkurse, die oftmals in den Bewegungsbädern von Alten- und Pflegeheimen angeboten werden. Diese sind aber meist deutlich teurer als Kurse in den öffentlichen Schwimmbädern. Mit ihrem gemeinsamen Forderungskatalog wollen die fünf Spitzenverbände diese Entwicklung aufhalten. „Schwimmen darf kein Luxusgut werden, jedes Kind hat das Recht auf Bewegung und Gesundheit“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung.
DSV-Jugendobmann Jonathan Koch sieht durch die fehlenden Schwimmkurse die Jugendausbildung in den deutschen Segelvereinen und damit auch die Basis für künftige Generationen an Spitzensportlerinnen und -sportlern in den Bereichen Segeln, Surfen und Kiten gefährdet. Wie sich ein lückenhaftes Schwimmangebot auswirken kann, zeigte sich ganz konkret bei der Roadshow der Seglerjugend des DSV, berichtet Jonathan Koch: Zahlreiche Kinder durften in der Vergangenheit bei diesem Schnuppersegelangebot nicht in die Boote steigen – denn ohne ein Freischwimmerabzeichen können Kinder und Jugendliche nicht an den Kursangeboten von Vereinen und Segelschulen teilnehmen.
„Auch wenn die Kinder selbstverständlich immer eine Schwimmweste tragen, ist diese nur eine Schwimmhilfe und bietet keinen Schutz vor Ertrinken“, betont Jonathan Koch. „Wer seine Freizeit in einem Segelverein verbringt, ist immer in der Nähe vom Wasser. Es ist unerlässlich, dass die Kinder und Jugendlich früh sicher schwimmen lernen, denn nur wer sich im Wasser sicher fühlt, kann selbstsicher und ohne Furcht segeln lernen.“
Der DSV empfiehlt seinen Mitgliedsvereinen eine enge Kooperation mit den ortsnahen öffentlichen Schwimmbädern und Schwimmvereinen. Die Kinder könnten so bereits ein Jahr vor Beginn ihres Segelunterrichts gemeinsam in der Gruppe schwimmen lernen. „Viele Familien melden ihre Kinder bereits Jahre im Voraus für Segelkurse an, diese frühe Festlegung auf ein Hobby wollen wir für die Schwimmausbildung nutzen“ sagt Jonathan Koch. „Die Kinder lernen dann mit der Gruppe schwimmen, mit der sie wenige Monate später gemeinsam zum ersten Mal im Opti segeln.“
Um den Engpass der fehlenden Schwimmlehrerinnen und -lehrer zu umschiffen, empfiehlt Jugendobmann Jonathan Koch zusätzlich, einige der lizensierten Segeltrainerinnen und -trainer als Schwimmlehrerinnen und -lehrer aus- und weiterzubilden. „Die Ausbildung als Schwimmlehrerin oder -lehrer für den Anfängerbereich entsprechend dem Programm des Deutschen Schwimm-Verbandes umfasst 60 Lerneinheiten“, sagt Jonathan Koch. „Davon sind einige Inhalte wie der Nachweis über Erste Hilfe-Kenntnisse und ein Bronzeabzeichen bereits durch die Segeltrainer*innenlizenz abgedeckt.“
Für die überwiegend ehrenamtlich arbeitenden Trainerinnen und Trainer in den deutschen Segelvereinen empfiehlt er zudem eine Ausbildung als Rettungsschwimmerin beziehungsweise Rettungsschwimmer, die beispielsweise von der DLRG angeboten wird.
„Die Verantwortung, die unsere Coaches im Umgang mit den Kindern auf dem Wasser haben, ist sehr groß“, betont Mona Küppers. „Für die Eltern ist es eine große Beruhigung zu wissen, dass die Coaches nicht nur die notwendige Trainerlizenz haben, sondern auch im Ernstfall die richtigen Rettungsmechanismen kennen.“
Dennoch darf die Verantwortung für die Kinder nicht ausschließlich bei den Trainerinnen und Trainern liegen. „Besonders nach Ende des Kurses, wenn die Kinder abgeholt werden, ist es wichtig, dass sich Coaches und Eltern abstimmen, wer wann auf die vielleicht noch badenden Kinder guckt“, betont Jonathan Koch. „Viele Kinder lieben es, nach dem Training noch einmal ins Wasser zu gehen. Wenn der Unterricht vorbei ist, muss es zwischen Coach und Eltern eine klare Übergabe der Aufsicht geben, damit die Kinder nicht unbeobachtet im Wasser plantschen.“
Wer schon als Kind gelernt hat, dass auf dem Wasser eine Schwimmweste selbstverständlich dazugehört, wird diesen Sicherheitsaspekt für sein gesamtes Seglerleben nicht außer Acht lassen. Dazu verweist DSV-Präsidenten Mona Küppers auf die Vorbildfunktion der Trainerinnen und Trainer und die Notwendigkeit, auch beim Segeln größerer Yachten nicht ohne Rettungsweste an Deck zu sein. „Unsere DSV-Jugendcrew, die am Commodore Cup und der anschließenden Herbsttour durch die Ostsee teilnahm, hat immer eine automatische Rettungsweste getragen“, sagt sie. „Auch wenn man schwimmen kann, gehört es zur seemännischen Eigenverantwortung, sich vor dem Ertrinken zu schützen.“