Ihre seglerische Heimat ist der Dnjepr, aber dort herrscht Krieg. Jetzt trainieren sieben ukrainische Kinder am Starnberger See beim Münchener Ruder- und Segelverein “Bayern” von 1910. Und alle merken: Das Wichtigste lässt sich auch ohne Worte klären.
Es war der 17. März, als der Hilferuf von Rodion Luka den Deutschen Segler-Verband erreichte. Luka ist ein bekannter Yachtkonstrukteur und Präsident des Ukrainischen Seglerverbands. Er berichtete in seiner E-Mail von einer Gruppe Segelkinder zwischen sieben und 15 Jahren, die mit ihren Trainern und Müttern auf der Flucht aus Charkiw und Kiew bis München gekommen seien. Eine Unterkunft für die Gruppe sei gefunden, aber gäbe es eine Möglichkeit, dass die Kinder in Deutschland auch weiter segeln könnten?
DSV-Präsidentin Mona Küppers schloss sich mit DSV-Jugendobmann Timo Haß kurz und der Bayer wandte sich an seinen Heimatverein, den Münchener Ruder- und Segelverein “Bayern” von 1910 (MRSV). Auf die Frage, ob Trainer und Kinder dort seglerisch unterkommen könnten, gab es kein Zögern: „Ja, natürlich!“, antworteten die Vereinsverantwortlichen.
Großschot – Mainsheet – основний аркуш
Einige der jungen Nachwuchsseglerinnen und -Segler besuchten den Verein inzwischen, und nach Ostern soll das Training dann für alle starten. Dann lernen die Mädchen und Jungen, die normalerweise auf dem aufgestauten Fluss Dnjepr segeln, ihr neues Revier kennen. Und auch Olga Balabuka und Igor Iatluk, die Trainer der Gruppe, sollen eine Perspektive bei dem süddeutschen Verein bekommen: „Wir haben schon Deutsch und einfache Begriffe aus der Segelsprache mit ihnen geübt“, sagt Jugendleiterin Bettina Gerstmeier. „Denn Olga und Igor sollen bei uns in den Trainingsgruppen so schnell wie möglich mitmachen können.“ Ein Online-Deutschkurs ist bereits gefunden, sodass die Sprachbarriere hoffentlich schnell überwunden wird – aktuell sind Trainerin Olga und ihr 17-jähriger Sohn Mischa die einzigen, die ein paar Brocken Englisch sprechen.
Doch die Kommunikation klappe besser als gedacht, berichtet Bettina Gerstmeier: „Es geht wirklich, mit Händen und Füßen, mit Bildern… beim gemeinsamen Kaffeetrinken haben wir erst einmal Grundbegriffe geübt wie Glas, Teller, Löffel. Wir Deutschen haben uns die ukrainischen Begriffe lautmalerisch aufgeschrieben.“ Auch ein Optisegel, Paddel und Ruder tragen schon Aufschriften in Deutsch, Englisch und Ukrainisch.
„Das ist jetzt gelebte Integration“
Und wie wird es beim Segeltraining laufen mit der Kommunikation? „Das wird sicher teilweise trial and error“, sagt Bernd Hassenjürgen. Er ist der Segelvorstand des MRSV. „Aber wir möchten, dass die Kinder wirklich mit uns im Verein segeln und nicht separat in ihrer Gruppe. Das ist uns wichtig.“ Am kommenden Wochenende, beim Slippen, sehen sich die deutschen und ukrainischen Segelkinder das erste Mal. Sie sei schon nervös, gibt Bettina Gerstmeier zu. Aber gleichzeitig auch zuversichtlich, dass alles gut klappt. „Die ukrainischen Kinder, Eltern und Trainer sind unglaublich offen.“ Ihrer Optigruppe hat sie gesagt: „Was wir hier machen, das ist gelebte Integration. Da können wir helfen, ohne viel Geld in die Hand zu nehmen.“
Spontanität und Kreativität sind gefragt. Der Lohn: ein Lachen auf dem Kindergesicht
Allen Vereinen, die sich auch engagieren möchten, macht Bettina Gerstmeier vom MRSV Mut: „Wir müssen jetzt ein Konzept ausarbeiten, haben uns aber spontan entschieden und sind jetzt erstmal kreativ.“ Was sie schon gelernt hätten: „Es ist eigentlich gar nicht wichtig, was wir machen. Sondern es ist wichtig, dass wir überhaupt etwas machen! Die Menschen, die zu uns kommen, die brauchen Ablenkung.“ Ein paar Stunden, in denen sie etwas anderes sehen als die Fernsehbilder aus ihrer Heimat.
„Jedes Mal, wenn unsere Gruppe aus der Ukraine hier am See ist, dann habe ich das Gefühl, die saugen alles auf wie ein Schwamm“, so die Jugendleiterin. „Ein Mädchen war am Anfang sehr schüchtern, sie wollte erst gar nichts sagen. Aber dann hat sie gemerkt, dass die Hemmschwelle gar nicht so groß ist, und dann hat sie doch mitgemacht und gelacht. Es war so schön, doch ein Lachen auf dieses Kindergesicht zu bekommen.“
Spenden und Wohnungsangebote – so können Sie dem MRSV helfen
Was denkt man im Verein zur Dauer des Engagements? Segelvorstand Bernd Hassenjürgen sagt dazu ganz realistisch: „Wir gehen erst einmal davon aus, dass die Gruppe bei uns bleibt.“ Dringend ist der Verein daher auf der Suche nach passenden Unterkünften für die Mütter und ihre Kinder. Aktuell leben sie in einer Notunterkunft in Augsburg, 70 Kilometer vom Starnberger See entfernt. Ideal wäre eine eigene Wohnung für jede Familie, doch auch ein Zuhause bei Privatmenschen wäre zunächst einmal eine tolle Lösung. Wer hier helfen, oder einen Kontakt vermitteln kann, meldet sich bei Bernd Hassenjürgen unter [email protected].
Auch wird Segelbekleidung für die Kinder und Funktionsbekleidung für die Trainer dringend gebraucht. Die Ukrainerinnen und Ukrainer mussten all ihr Habe in ihrem Heimatland zurücklassen. Die Verantwortlichen vom MRSV stemmen die Zusatzkosten jetzt erst einmal aus ihrem privaten Budget und freuen sich über Spenden. „Wir sind für jeden Cent dankbar, neben der Ausrüstung für die Kinder und Trainer stellen wir zum Beispiel die Verpflegung während der Aufenthalte im MRSV oder möchten die Kinder auch zu Trainingslagern und Regatten mitnehmen“, sagt Bettina Gerstmeier. Daher würden Geldspenden den Kindern und Trainern helfen. Auch Sibylle Merk vom Bayerischen Seglerverband hat ihre Unterstützung sofort zugesagt. Geeignete Sachspenden sind ebenso willkommen, der Verein sendet auf Anfrage gern eine Bedarfsliste.
Hier können Sie für die Unterstützung der Kinder und Trainer spenden:
Bank: KSK München Starnberg Ebersberg
Empfänger: MRSV
IBAN DE19 7025 0150 0022 4675 26
Betreff: Kinder Ukraine
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