So brutal kann Segelsport sein: Bei der Europameisterschaft für die Disziplinen 49er, 49erFX und Nacra 17 hatten die erst 22 Jahre alten Skiffseglerinnen Marla Bergmann und Hanna Wille nach wechselhaftem Auftakt mit drei Rennsiegen in Folge sogar international für Aufmerksamkeit gesorgt. Mit ihrem „goldenen Sonntag“ hatte sich die junge Crew vom Mühlenberger Segel-Club am Vorschlusstag der EM von Platz 15 auf Platz 4 katapultiert. Da waren plötzlich das nur eine bei diesen Titelkämpfen zu gewinnende Nationenticket für die olympische Regatta 2024 in Marseille und sogar eine EM-Medaille in Sichtweite gerückt. Doch weder um das eine noch um das andere durften die Elbseglerinnen am finalen Montag kämpfen.
Eine hartnäckige Flaute hat den Schlusstag der Europameisterschaft für drei olympische Klassen im portugiesischen Revier komplett platzen lassen. Dadurch verpassten Marla Bergmann und Hanna Wille die Chance auf den Coup. Als EM-Vierte erzielten sie dennoch das beste Ergebnis ihrer Karriere. DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner sagte: „Die Leistung der drei Rennsiege, als sie wirklich wichtig waren, die darf man schon als sensationell bezeichnen. Das war eine beeindruckende Leistung von Marla und Hanna. Dafür hätten sie die Chance verdient, um mehr kämpfen zu dürfen.“ Doch das sollte nicht sein. Stattdessen freute sich die EM-Zweiten Jana Germani und Giorgina Bertuzzi, das Nationenticket für Italien gesichert zu haben. Europameisterinnen wurden die Norwegerinnen Helene Næss und Marie Rønningen.
Marla Bergmann und Hanna Wille waren am Ende der physisch und mental fordernden Woche hin- und hergerissen. Marla Bergmann sagte: „Wir beenden die EM mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Ohne Wind kann man nicht segeln. Die Absage der Rennen war deshalb fair, aber für uns wirklich schade. Wir hätten gerne um mehr gekämpft.“ Mit den Plätzen 20, 21 und 23 beendeten Katharina Schwachhofer/Elena Stoltze (Württembergischer Yacht-Club/Yacht-Club Radolfzell), Sophie Steinlein/Jill Paland (Norddeutscher Regatta Verein) und Inga-Marie-Hofmann/Catherine Bartelheimer (Düsseldorfer Yacht-Club/Segelclub Inning am Ammersee) die EM.
Im Nacra 17 hatten Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer (Kieler Yacht-Club) den olympischen Nationenstartplatz für Deutschland in ihrer Disziplin bereits bei der Weltmeisterschaft in Den Haag im Sommer gesichert. Die Olympia-Dritten von Japan segelten in Portugal auf EM-Platz sechs. Auch sie hatten durch den geplatzten Finaltag keine Chance mehr, sich im Endspurt noch einmal zu verbessern, bleiben aber verlässliche Akteure in der Weltspitze der olympischen Katamarane. Europameister wurden die Briten John Gimson und Anna Burnett vor den italienischen Olympiasiegern Ruggero Tita/Caterina Banti.
Schwerer taten sich die deutschen 49er-Segler. Die Lücke, die das Karriereende der zweimaligen olympischen Bronzemedaillen-Gewinner Erik Heil und Thomas Plößel hinterlassen hat, ist noch nicht geschlossen. Als einzige Crew des German Sailing Teams hatten sich Fabian Rieger/Tom Heinrich (VSaW/KYC) für die Goldflotte der besten 25 EM-Crews nach der Vorrunde qualifizieren können. Sie beendeten die europäischen Titelkämpfe auf Platz 23. Auch Max Stingele/Linov Scheel (Kieler Yacht-Club) und Jakob Meggendorfer/Andreas Spranger (Bayerischer Yacht-Club) konnten im Kampf um das erhoffte Nationenticket auf den Plätzen 28 und 29 in der Silberflotte nicht punkten. Europameister wurden die Franzosen Lucas Rural und Emile Amoros.
Allen Skiffseglerinnen und -seglern des German Sailing Teams bleibt die „Last Chance Regatta“ im April vor Hyères in Frankreich. Dort können 49er-Männer wie 49erFX-Frauen jeweils eines der letzten drei Nationentickets für Olympia 2024 erkämpfen. „Wir sind recht optimistisch, dass uns das gelingen kann. Wir haben bei dieser EM sehr viel wertvolle Erfahrung gesammelt und wissen, dass wir die anderen schlagen können“, sagte Marla Bergmann in Portugal.
Hier geht es zu den EM-Ergebnissen.