Im Wettstreit mit 1.200 olympischen Seglern und Seglerinnen aus 80 Nationen konnte das deutsche Team bei der WM in Den Haag sechs Nationenstartplätze für die Olympischen Spiele 2024 sichern. Das sind doppelt so viele wie bei der relevanten WM vor der letzten olympischen Regatta.
„Ziel für Olympia 2024 ist die Besetzung von acht bis zehn Disziplinen. Auf diesem Kurs haben wir bei der Weltmeisterschaft in Den Haag einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht“, sagte DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner in einer ersten WM-Bilanz am Finaltag der zehntägigen Welttitelkämpfe im niederländischen Nordsee-Revier.
Sportlich konnten die 48 DSV-Segler und -Seglerinnen in den schwer berechenbaren Gewässern vor dem Scheveninger Strand Glanzpunkte setzen, mussten aber auch einige Dämpfer hinnehmen. Erfolgreichster Starter des German Sailing Teams war iQFOiL-Windsurfer Sebastian Kördel. Nach WM-Gold im vergangenen Jahr konnte der 32-Jährige vom Norddeutschen Regatta Verein erneut das Finale erreichen, musste sich erst im letzten Lauf dem holländischen Weltmeister Luuc van Opzeeland geschlagen geben. Für Silber wurde er im German Sailing Team gefeiert. „Sebastian hat seit seinem Einstieg in den olympischen Windsurfsport durchgängig Top-Leistungen erbracht. Das mag von außen leicht wirken, doch dahinter steckt sehr, sehr viel harte Arbeit. Es ist beeindruckend, wie er das als Quereinsteiger in neuen olympischen Rahmenbedingungen so gut hinbekommt“, sagte Nadine Stegenwalner.
Kördel auf höchstem Niveau konstant
Der in Kiel lebende Radolfzeller selbst beschreibt seine olympische Kampagne überaus positiv: „Es macht viel Spaß, zu einem großen Team zu gehören. Das kannte ich vorher so nicht. Auch hatte ich früher keinen eigenen Trainer. Die Zusammenarbeit mit Dom Tidey eröffnet noch einmal andere Dimensionen.“ Dass er in diesem Jahr bereits viermal Zweiter bei großen Regatten war, weise vor allem auf seine Konstanz hin: „Ich denke schon, dass ich im kommenden Jahr beim Kampf um Olympia-Gold zu den Mitfavoriten zählen werden.“
Dass die deutsche Weltklasse-Trainingsgruppe im 470er-Mixed die erhofften Medaillen bei der WM verpasste, hatte gleich bei mehreren Mitfavoriten unter GER-Segeln Tränen ausgelöst. Die Sportdirektorin sieht dennoch positiv auf die Mixed-Crews im Olympiakader des German Sailing Teams: „Wir haben uns die Latte in dieser Disziplin durch herausragende Leistungen Stück für Stück höher gelegt. Die Crews bleiben Weltklasse und Medaillenkandidaten für Olympia, auch wenn sie bei dieser WM kein Edelmetall gewinnen konnten. Mit drei Crews in die Top-Ten einer WM zu segeln, das auch ohne Medaillen ein starkes Zeichen.“
Balanceakt zwischen WM- und Olympiavorbereitung
In der Endabrechnung aller olympischen und der vier Para-Disziplinen lagen am Ende der WM im schwierigen Stromrevier die Gastgeber und damit die Revierkenner vorne. Das niederländische Team NL holte zweimal Gold und einmal Silber. Bei den Olympiaseglerinnen und -seglern teilten sich 16 Nationen die Medaillen – ein Beweis dafür, wie viele Länder inzwischen im Ringen um die Podiumsplätze in die Weltspitze aufgerückt sind.
Das German Sailing Team hatte sich für die WM in Den Haag dennoch etwas mehr erhofft als einmal Silber und vier Top-Ten-Platzierungen. „Die Analyse dazu wird etwas Zeit brauchen. Das Thema Strömungsrevier hat sicher eine Rolle gespielt. Wir wussten, dass es auf der Nordsee eine sehr fordernde WM wird. Wir haben unter den Bedingungen trainiert, doch das Revier war dafür nur sehr eingeschränkt geöffnet. Gleichzeitig mussten wir die gegebenen Zeitfenster für Trainingsmaßnahmen im Olympiarevier mit ganz anderer Charakteristik nutzen, denn die olympische Regatta im kommenden Jahr in Marseille ist unser großes Ziel“, erklärte Nadine Stegenwalner den Balanceakt zwischen WM- und Olympiavorbereitung.
Paul Kohlhoff: „Die WM war Augenöffner und Wachrüttler für uns.“
Neben den Plätzen fünf, acht und neun durch die 470er-Mixed-Crews Malte und Anastasyia Winkel (Schweriner Yacht-Club/Norddeutscher Regatta Verein), Simon Diesch/Anna Markfort (Württembergischer Yacht-Club/Verein Seglerhaus am Wannsee/Joersfelder Segel-Club) und Luise Wanser/Philipp Autenrieth (Norddeutscher Regatta Verein/Bayerischer Yacht-Club) trugen auch die Olympia-Dritten Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer mit Platz sieben im Nacra 17 zur deutschen Gesamtleistung bei. Paul Kohlhoff sagte nach herausragender Vorrunde, enttäuschender Hauptrunde und Versöhnung durch Rang drei im Medaillenrennen: „Wir konnten eine turbulente Woche positiv abschließen, haben den Olympia-Startplatz gesichert und das Kaderkriterium geschafft. Gleichzeitig war die WM für uns Augenöffner und Wachrüttler. Es gibt also viel zu tun…“
Nicht zufrieden waren die ILCA-7-Steuerleute Philipp Buhl und Nik Aaron Willim (beide Norddeutscher Regatta Verein) mit den Plätzen 12 und 16. Trainer Alexander Schlonski brachte es auf den Punkt: „Wir sind maximal enttäuscht. Da war so viel mehr drin. Es sind grobe Schnitzer passiert, die so normalerweise nicht passieren. Wir werden die WM-Ergebnisse gründlich analysieren und unsere Schlüsse daraus ziehen. Die Strömung hat eine starke Rolle gespielt.“
Flaute nimmt Leonie Meyer nach Materialbruch die Chance aufs Comeback
Besonderes Pech hatte Kitesurferin Leonie Meyer (Norddeutscher Regatta Verein), bei der ein neues, geprüftes und eingesegeltes Materialteil brach. Der Bruch kostete die 30-jährige Mutter und Medizinerin in Verkettung unglücklicher Umstände und Fehler von Dritten einen ganzen Renntag. Sie stürzte nach formidablen Leistungen von Platz vier auf Platz 14 ab. Ein Rennen mit durchschnittlicher Platzierung am Folgetag hätte der Kielerin schon gereicht, um eines der belastend hohen Ergebnisse wieder streichen und ins Finale vordringen zu können. Doch der letzte Renntag der Kiterinnen und Kiter fiel einer Flaute zum Opfer. Eine Nachholchance für die abgesagten Rennen gab es im Gegensatz zum Nachholtag für die ebenfalls von der Flaute betroffenen ILCA-Flotten für die Kiter nicht. Den Nationenstartplatz für Olympia 2024 aber konnte Leonie Meyer für den weiblichen Kitesport sichern.
Coach Jan Hauke Erichsen sagte: „Ich glaube auch fest daran, dass die Männer den Nationenstartplatz für die Kiter noch holen. Die nächste Chance kommt bei der EM Mitte September in Portsmouth.“
In diesen Disziplinen konnte das deutsche Team bei den Allianz Sailing World Championships den Nationenstartplatz für Olympia 2024 bei der WM frühzeitig sichern:
- Windsurfen Männer (iQFOiL)
- Mixed Zweihandjolle (470er)
- Mixed Katamaran (Nacra 17)
- Kitesurfen Frauen (Formula Kite)
- Einhandjolle Frauen (ILCA 6)
- Einhandjolle Männer (ILCA 7)
In diesen Disziplinen muss der Nationenstartplatz noch gesichert werden:
- Windsurfen Frauen (iQFOiL)
- Kitesurfen Männer (Formula Kite)
- Skiff Männer (49er)
- Skiff Frauen (49erFX)
Weitere Chancen zur Sicherung des Nationenstartplatzes bieten Welt- und Europameisterschaften der einzelnen Klassen in diesem und nächsten Jahr sowie als „Last Chance Regatta“ die Semaine Olympique vor Hyères im kommenden Jahr.
Die Ergebnisse der Allianz Sailing World Championships in Den Haag 2023: https://thehague2023.sailing.org/results-centre/Fotos zur redaktionellen Verwendung finden Sie hier: https://worldsailing.photoshelter.com/galleries/C0000kYERaWkjvBc/2023-Allianz-Sailing-World-Championships-The-Hague