Erstmals seit 2019 fand die Mitgliederversammlung des Weltsegelverbands wieder in Präsenz statt. Größer Punkt auf der Agenda war die vor vier Jahren angeschobene Reform des Verbandes und eine neue Satzung. Mona Küppers berichtet über die aus DSV-Sicht wichtigsten Meilensteine der Konferenz im Wüstenstaat.
Was sind in deinen Augen die wichtigsten Ergebnisse der World Sailing-Mitgliederversammlung?
Aus Sicht von World Sailing ist das wichtigste Ergebnis sicherlich die fast einstimmige Zustimmung der Delegierten zur neuen Satzung des Verbandes. Obwohl der DSV wie auch andere Mitgliedsländer in einigen Bereichen deutlichen Verbesserungsbedarf sehen, wollten wir mit unserem Votum den vor vier Jahren gestarteten Prozess der Verbandsentwicklung nicht stoppen, denn da steckt schon viel Gutes drin. Der Reformprozess bei World Sailing kann nun mit der neuen Satzung weiter fortgeführt werden.
Als DSV waren wir mit einem guten und aussagekräftigen Team vor Ort, was auch von den anderen Nationen so gesehen wurde. Es wurde ebenfalls registriert, dass der DSV eine Präsidentin hat, die sichtbar ist und mit der man sprechen kann. Für den Spitzensport haben wir mit anderen Nationen erreicht, dass es bis 2032 wohl keine tiefgreifenden Änderungen bei den olympischen Disziplinen geben wird. Das gibt mehr Planungssicherheit.
Was sind bei der Verbandsreform des Weltverbandes aus DSV-Sicht die wichtigsten Neuerungen?
Am wichtigsten aus meiner Sicht ist die Bereitschaft zur Veränderung, die sich durch alle Bereiche zieht. World Sailing hat ein neues Team in der Geschäftsstelle, einen anderen Standort und hat die Kosten besser in den Griff bekommen. Der gesamte Verband präsentiert sich agiler, bewegungsfreudiger und kommunikativer, was eine direkte Folge der Verbandsreform ist. Erfreulich finde ich auch, dass World Sailing seinen Blick über den olympischen Bereich hinaus zum Breitensport weitet. Denn dort werden die Talente gefunden, gesichtet und gefördert, dort findet Ausbildung statt, dort müssen wir die Menschen finden, die Wettfahrtoffizielle und Trainer sein wollen.
Gleichwohl sieht der DSV noch Verbesserungspotenzial. Was sind die größten Kritikpunkte?
Für mich ist es die Dauer des Prozesses. Es werden die Mitgliedsnationen befragt, der Rat, es geht in den Vorstand, in die Ausschüsse… und wieder zurück. Mir dauert das insgesamt zu lange. Jetzt sollte man sich auf die Dinge konzentrieren, die noch nicht hundert Prozent befriedigend sind, und nicht immer wieder den gesamten Prozess aufdröseln.
Über die Effekte der Mitgliederversammlung auf das olympische Segeln haben wir schon gesprochen. Inwieweit betreffen die Entscheidungen des AGM aber alle Seglerinnen und Segler in Deutschland?
Im Endeffekt betrifft das, was bei der Mitgliederversammlung beschlossen wurde, jede Seglerin und jeden Segler noch auf der kleinsten Mittwochsregatta auf dem Binnensee. Denn das Büchlein mit den Wettfahrtregeln wird nicht zuletzt gestaltet durch die Entscheidungen in den verschiedenen Komitees.
Auch im Offshore-Bereich gab es Anträge auf etliche Änderungen, beispielsweise für die Regeln zu eingebauten Tanks. In den Komitees gibt es Gedankenanstöße zu verschiedenen sicherheitsrelevanten Themen, die nun im Special Regulations Subcommittee weiterverfolgt werden.
Vieles jedoch, was in Abu Dhabi besprochen wurde, hat erst einmal keinen unmittelbaren Einfluss auf die Seglerinnen und Segler. Doch der persönliche Kontakt ist wichtig, um uns international besser zu vernetzen und gemeinsam für die Rechte der Wassersporttreibenden einzustehen.
Du hast an mehreren Fachforen teilgenommen, kannst du daraus ein paar Highlights berichten?
Im Women`s Forum haben wir beeindruckende Präsentationen gesehen, wie in den jeweiligen Mitgliedsnationen mit dem Thema umgegangen wird. In Dänemark beispielsweise hat sich mit dem Projekt „WOW – Women on Water“ ein Format etabliert, das niemand mehr in Frage stellt oder gar belächelt. Wir haben einen sehr spannenden Vortrag darüber gehört, dass eine gezielte Ausbildung für Trainerinnen, Wettfahrtleiterinnen und Schiedsrichterinnen ein Schlüssel zum Erfolg ist. Wir haben weibliche Jury-Chiefs getroffen, deren Begeisterung ansteckend war.
Neu in Abu Dhabi war das Format „World Sailing im Gespräch mit seinen MNAs“, in dem wir bestimmte Problemlagen nationenübergreifend untereinander und mit World Sailing-Vertretern diskutiert haben. Dieses Format, den gezielten Austausch, den wünsche ich mir intensiver und gesteuerter. Ich war zum Beispiel in einer Gruppe dabei, in der die Befahrensregeln von Offshore-Windparks für die Sportschifffahrt intensiv diskutiert wurden. So hat in Europa fast jedes Land andere Regeln, da müssen wir gemeinsam an einer guten Lösung arbeiten. Auch für Mitgliedsstaaten, in denen es noch keine Windkraftanlagen auf dem Meer gibt, war die Runde spannend. Denn sie wissen nun, dass sie sich frühzeitig im Sinne der Sportschifffahrt in den politischen Prozess einbringen müssen.
Steht schon fest, wo die Mitgliederversammlung 2023 stattfindet?
Noch nicht. Istanbul wurde des Öfteren unter der Hand genannt, das würden wir alle begrüßen. Denn fast alle Teilnehmenden in Abu Dhabi haben kritisiert, dass der Austragungsort keine Wahlmöglichkeiten bei der Unterkunft ließ. Es gab faktisch nur ein Fünf-Sterne-Hotel mit Übernachtungspreisen, die – salopp ausgesprochen – jenseits von Gut und Böse waren. Das muss nicht sein. Wir sind den ganzen Tag in Meetings unterwegs, wir brauchen im Grunde nur ein sauberes Bett und ein sauberes Badezimmer. Das Geld, mit dem die Hotelzimmer subventioniert werden, könnte besser genutzt werden, um beispielsweise den Delegierten kleinerer und finanzschwächeren MNAs die Teilnahme an der Mitgliederversammlung zu ermöglichen.