Der Berliner Yacht-Club und der Verein Seglerhaus am Wannsee zählen zu den ältesten Segelclubs in Deutschland: Sie werden 150 Jahre alt. Ihre Jubiläumsfeierlichkeiten starten mit einem gemeinsamen Ansegeln am 22. April 2017. Wie hat alles angefangen, und welche Pläne gibt es für die Zukunft? Wir stellen Ihnen die Vereine im Kurzporträt vor
Das frisch renovierte Vereinshaus des Berliner Yacht-Clubs (BYC) liegt am Ufer des Wannsees, idyllisch zwischen der Insel Schwanenwerder und dem Strandbad. Abends genießt man dort von der Terrasse einen traumhaften Blick über Stege und Boote auf den Sonnenuntergang. „Sunset Boulevard“ wird dieser Blick übers Wasser, die Straße der Segler, dann auch liebevoll genannt.
Begonnen hat das alles allerdings woanders, in Berlin-Mitte, in Stralau an der Spree: 1835 tun sich dort 100 „Lustsegeley“ begeisterte Herren zur Stralauer Tavernengesellschaft zusammen, aus der 1867 der Berliner Yacht-Club hervorgeht. Bei der ersten großen „Regatta von Berlin“ starten gleich 37 Boote bei Grünau – gesegelt wird damals übrigens noch in Kuttern mit baumlosen Luggersegeln. Das erste Clubhaus auf einem BYC-eigenen Wassergrundstück wird Anfang der 1890er Jahre eröffnet, der sportliche Aufschwung nimmt seinen Lauf. Gleich zehn BYC-Mitglieder sind unter den 100 Regattastartern bei der Kieler Woche von 1895, und einer aus dem Club schreibt Sportgeschichte: Paul Wiesner ersegelt im ersten olympischen Segelwettbewerb in Paris einen Sieg.
Sportliche Erfolge gehören in den nächsten Jahrzehnten zur Historie des BYC dazu. Erwähnenswert ist dabei neben anderen Oskar Gleier, der u.a. mit seiner Emmy II, einem Anfang des 20. Jahrhunderts erbauten 35er Kreuzer, zahlreiche Regatten gewann. Das Boot aus der Grünauer Zeit wird ab 2005 in liebevolle Kleinarbeit restauriert und gehört heute wieder zum Berliner Yacht-Club.
Im Zweiten Weltkrieg zerstören Feuer und Bomben das Clubhaus in Grünau, ab 1949 gewährt der Verein Seglerhaus am Wannsee den BYC-Mitgliedern Gastrecht, 1959 folgt der Umzug auf die andere Wasserseite, an den Wannseebadweg, die Mitgliederzahlen und sportlichen Aktivitäten entwickeln sich: Siege, Meisterschaften, national und international, Auszeichnungen – die Liste der Erfolge ist lang.
„Und wird von Jahr zu Jahr länger“, sagt Jürgen Kahl, amtierender Vereinsvorsitzender des Berliner Yacht-Clubs. „Wir wollen das historische Erbe weitertragen.“ Dafür, wissen Kahl und alle Verantwortlichen, ist es notwendig, mit der Zeit zu gehen. Und das heißt: Noch weiter weg vom „staubigen Vereinsimage“, hin zu einer heterogenen Gemeinschaft, in der jeder seinen Platz findet.
„Wir müssen Formate für jeden Lebensabschnitt anbieten“, erklärt Jürgen Kahl. Dazu gehört das spielerische Heranführen der Kinder, eine Jugendarbeit, die Schule und Training kompatibel gestaltet oder das Fördern attraktiver Bootsklassen für junge Erwachsene. Für ambitionierte Regattasegler ist die Unterstützung der Bundesligateams entscheidend, so Kahl weiter. Und jungen Familien ohne eigene Yacht wiederum sollte der Verein clubeigene Boote zur Anmietung anbieten.
Für die Zukunft werden im Berliner Yacht-Club gerade viele Projekte angeschoben. Der neue Internetauftritt ist unter anderem ein wichtiger Schritt in Richtung verbesserte Infrastruktur und Kommunikation im Club. Mit Signalwirkung auch nach außen.
Miteinander und Füreinander. Mut zum Wandel. Und natürlich hochkarätiger Segelrennsport – dafür steht der Verein Seglerhaus am Wannsee (VSaW). „Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern“ – diese Worte des französischen Schriftstellers und Politikers André Malraux begleiteten dann auch die Vorbereitungen auf das Festjahr 2017.
Wie alles begann? Mit dem steigenden, gesellschaftlichen Interesse an Booten und Segelschiffen schlossen sich am 6. Oktober 1867 zumeist wohlhabende Kaufleute und Bankiers an der Havel zusammen und gründeten die „Gesellschaft der Vereinigten Segler der Unterhavel“. Der zweitälteste Deutsche Verein nach dem SC Rhe war geboren. Und als dann der Geheime Rat Wilhelm Conrad die Wälder am Wannsee vor den Toren Berlins urbar machte und sich die „Villenkolonie Alsen“ entwickelte, siedelten die Sportler nicht nur um, sie änderten auch ihren Namen in „Verein Seglerhaus am Wannsee“. Das erste Clubhaus war eine gestiftete Holzscheune, der 1910 fertiggestellte elegante und repräsentative Bau im englischen Landhausstil mit seinen Gauben und Giebeln, Erkern und Loggien steht heute unter Denkmalschutz.
In Berlin, erklärt VSaW-Vereinsvorsitzender Andreas Pochhammer, ist die Renn-Segelei entstanden. „Und wir sind ein bedeutender Teil davon.“ Einer der ersten erfolgreichen VSaWler war Otto Protzen, der bis 1911 rund 110 Regatten für sich entscheiden konnte. Allein sechsmal überreichte ihm Kaiser Wilhelm II. den renommierten Samoa-Pokal. Peter Bischoff und Jochen Weise (1936, Starboot) und Willy Kuhweide (1964, Finn-Dinghy) gewannen später sogar Olympisches Gold. Und wollte man alle nennen, die Welt-, Europa- oder Deutsche Meistertitel, Bundesligaerfolge oder unzählige andere Regattasiege und-platzierungen in den professionell organisierten Verein am Wannsee holten, dann würde das viele Buchseiten füllen.
Rolf Bähr weiß das. Der Jurist und „Vordenker“, wie Vereinschef Pochhammer ihn nennt, ist Mitglied im Ältestenrat des VSaW, war von 2005 bis 2013 Präsident des Deutschen Seglerverbandes – und weiß eigentlich alles über seinen Club: über die historische Entwicklung, die Menschen, ihre Boote und ihre Erfolge. Bähr schreibt gerade an einer Vereinschronik, die pünktlich zum Jubiläum fertig wird. „Historisch bedingt waren wir einst ein elitärer Herrenclub“, sagt Bähr, „heute sind wir eine starke Gemeinschaft für Junge und Alte, für Freizeitsegler und Regattasportler, für verrückte Weltumsegler und entspannte Fahrtensegler, für Männer und Frauen.“ Eine Entwicklung, für die sich über Jahrzehnte ehrenamtliche Vereinsmitglieder stark gemacht haben. Bei einem Kulturevent im vergangenen Jahr erzählte Bähr interessierten Mitgliedern dann auch am Kaminfeuer im Großen Saal, warum neuerdings verstärkt die Damen des VSaW Medaillen sammeln.
Und was bringt die Zukunft? „Auf keinen Fall Stillstand“, betont Pochhammer. Für den Fortschritt gibt es deshalb schon länger eine Strategiekommission. Ihr Ziel: laufende Projekte wie die vereinseigene J/70-Flotte, „SailNow“ und die Segel-Bundesliga kritisch analysieren und optimieren, neue Ideen entwickeln, anschieben und umsetzen.
Der DSV gratuliert den beiden Jubiläumsvereinen sehr herzlich.