Neuigkeiten der BSU zur Nutzung von Autopiloten

 VERSCHIEDENE UNFÄLLE VON SPORTBOOTEN BEI NUTZUNG DER SELBSTSTEUERANLAGE (Autopilot)

In der Vergangenheit wurden der BSU mehrere Unfälle gemeldet, bei denen die Nutzung eines Autopiloten eine Rolle spielte. Es kam teilweise zu hohen Sach- und auch Personenschäden.

Was passierte?

  • Der Bootsführer einer Motoryacht (Lüa1 11 m) schaltete elbaufwärts im Hamburger Hafen den Autopiloten ein, während er einen Gegenstand aufhob, der zuvor vom Fahrpult gefallen war. Der Autopilot ließ sich unmittelbar darauf nicht wieder ausschalten. Da die Yacht nach einem vorigen Ausweichmanöver zurück auf die rechte Seite des Fahrwassers steuerte, lag eine Kaimauer voraus. Eine Anfahrung konnte nicht mehr verhindert werden und es entstanden erhebliche Sachschäden an der Yacht. Zwei Personen wurden verletzt.
  • Eine Segelyacht (Lüa 22 m) kollidierte auf dem Nord-Ostsee-Kanal (NOK) mit einem Forschungs-/Vermessungsschiff (Lüa 73 m), nachdem der Bootsführer mutmaßlich den Autopiloten eingeschaltet hatte und unter Deck gegangen war. Die Segelyacht blieb auf geradem Kurs am Rand des Fahrwassers trotz einer vorausliegenden Kurve im Kanal und kollidierte mit der achteren Steuerbordseite des in der Mitte des Kanals fahrenden Forschungsschiffes. Es kam an beiden Fahrzeugen zu Sachschäden.
  • Bei der Fahrt durch den NOK löste sich an Bord einer Segelyacht (Lüa 10 m) der am Achterstag befestigte Bootshaken. Um ihn selbst während der Fahrt wieder befestigen zu können, schaltete der Bootsführer den Autopiloten ein. Bei der Passage eines an einem Anleger festliegenden Binnenschiffes (Lüa 85 m) in einem Abstand von etwa 6 – 7 m vollzog der Autopilot plötzlich eine 90°Kursänderung und es kam zur Kollision, wobei an beiden Fahrzeugen geringe Sachschäden entstanden.
  • Eine Segelyacht (Lüa 16 m) fuhr unter Nutzung des Autopiloten auf dem NOK, als sich der Bootsführer dafür entschied, das Cockpit zu verlassen, um im Wind schlagende Leinen auf dem Vorschiff zu sichern. Der Autopilot änderte plötzlich den Kurs nach Steuerbord und die Yacht kollidierte mit einem Dalben. Es entstand Sachschaden an der Segelyacht.
  • Eine Segelyacht (Lüa 21 m) segelte auf der Ostsee mit achterlichem Wind, als sich der Steuermann dafür entschied, den Autopiloten einzuschalten, um eine Cockpitscheibe zu reinigen. Unmittelbar nach dem Einschalten und als der Steuermann schon nicht mehr am Ruder stand, kam es zu einer Kursänderung, die zur Patenthalse führte. Auf dem Weg zurück zum Steuerstand wurde der Steuermann von der Großschot erfasst, zur Seite geschleudert und erlitt tödliche Verletzungen.

1 Lüa = Länge über alles.

  Warum passierte es?

  • Nutzung des Autopiloten in engen Gewässern (in der Nähe anderer Verkehrsteilnehmer oder von Bauwerken (Dalben, Kaianlagen, etc.)), (1) (2) (3) (4)
  • fehlende Delegation von Aufgaben an andere Personen an Bord durch die Steuerleute – Steuerleute übergaben das Ruder der Automatik und erledigten die Aufgaben selbst, (1) (3) (4) (5)
  • unzureichende Sicherung von Gegenständen an Bord – um dies zu richten, wurde (der Steuerstand verlassen und) der Autopilot eingeschaltet, (1) (3) (4)
  • Verlassen des Steuerstands unter Nutzung des Autopiloten und Verlust des Situationsbewusstseins durch mangelnden Ausguck / fehlende Positionsbestimmung, (2)
  • technischer Defekt („Einfrieren“) des Autopiloten, (1)
  • Ablenkung der Sensorik des Autopiloten durch externe Einflüsse, (3) (4)
  • Aufenthalt im Gefahrenbereich der Großschot während des Abfallens der Yacht sowie Nutzung des Autopiloten bei achterlichem Wind ohne die Nutzung eines Bullenstanders. (5)

Was kann daraus gelernt werden?

  • Sportboote, die den NOK besetzt mit nur einer Person passieren möchten, sollten bei der Reisevorbereitung die Möglichkeiten für kurzfristige Stopps einplanen, da Sportboote auf dem NOK ihren Autopiloten nicht verwenden dürfen;
  • Auch bei Nutzung eines Autopiloten muss ein gehöriger Ausguck stets sichergestellt sein, um das Situationsbewusstsein aufrechtzuerhalten;
  • Je begrenzter das Gewässer und je kleiner der Raum für ungewollte Kursabweichungen oder Fehler des Autopiloten, desto schneller muss jemand für die Umstellung auf Handsteuerung zur Verfügung stehen und diese übernehmen können;
  • Es muss jederzeit technisch möglich sein, zügig auf Handsteuerung umzuschalten (auch im Fall eines Systemausfalls des Autopiloten) und die Prozeduren hierfür müssen Steuerleuten bekannt sein;
  • Nutzer und Nutzerinnen von Autopiloten müssen die technischen Grenzen des jeweils verbauten Systems, die Eigenschaften der verbundenen/genutzten Sensoren und die Bedeutung der am Autopiloten vorgenommenen Einstellungen (Betriebsmodus, Steuerverhalten, etc.) kennen;
  • Große Stahl-/Eisenmassen (andere Schiffe), stromführende Kabel (Seekabel, Überlandleitungen über Flüssen und Kanälen) und andere externe Einflüsse können Magnet- und Fluxgate-Kompasse erheblich ablenken und so i. V. m. einem Autopiloten ungewollte, heftige Kursänderungen hervorrufen;
  • Das Steuerverhalten des Autopiloten muss mehrere Minuten lang überwacht werden (auch um sicherzustellen, dass das System überhaupt arbeitet), bevor in offenem Seeraum in Erwägung gezogen werden kann, das Steuer temporär zu verlassen;
  • Auf Fahrzeugen unter Segeln können Autopiloten keine Gewähr dafür geben, dass ein Kursabfall o. ä. vermieden wird – auch eine Windgebersteuerung kann unter bestimmten Bedingungen, z. B. bei einer unangemessenen Segelführung, an ihre Grenzen kommen;
  • Auf Segelyachten sind Autopiloten auf Raumwindkursen und/oder bei achterlicher See nur mit äußerster Vorsicht zu verwenden, idealerweise nur mit zusätzlicher Absicherung durch einen Bullenstander.

Unabhängig von den hier aufgeführten Unfällen, sind auch die folgenden Hinweise vor/bei der Nutzung eines Autopiloten an Bord von Sportbooten stets zu berücksichtigen:

  • „Bei zu geringer Geschwindigkeit und/oder in schwerer See ist zu beachten, dass die automatische Kursregelung Prinzip bedingt möglicherweise nicht in der Lage ist, die Kurshaltung mit der erforderlichen Genauigkeit zu gewährleisten, d. h. es ist auf Handsteuerbetrieb umzuschalten“2;
  • Voraussetzung für zuverlässige Steuerergebnisse ist die angemessene Dimensionierung (u. a. Leistungsfähigkeit im Verhältnis zu Schiffsgröße und Ruderdruck) sowie eine erfolgreiche Kalibrierung des Autopiloten, regelmäßige Softwareupdates werden empfohlen;3
  • Beim Segeln sollte der Autopilot erst eingeschaltet werden, wenn die Segel optimal getrimmt wurden und der Ruderdruck möglichst gering ist, um einen erhöhten Energieverbrauch und eine zu langsame Reaktion auf externe Einflüsse (z. B. Windböen) zu vermeiden;4
  • Unter Verwendung der Wegpunkt-Steuerung muss bekannt sein und situationsabhängig berücksichtigt werden, ob das System beim Erreichen eines Kursänderungspunkts automatisch oder erst nach Bestätigung (Knopfdruck) die Kursänderung einleitet;
  • In Situationen, die Steuerleute besonders fordern und ein schnelles, konzentriertes und professionelles Agieren verlangen, sollte die Steuerung nicht einem Autopiloten überlassen werden.

Wer kann es umsetzen/beachten?

Skipper und Skipperinnen, Wassersportler und Wassersportlerinnen, Betreiber und Betreiberinnen sowie Eigner und Eignerinnen von Sportbooten, Segelschulen

Quelle: BSU (https://www.bsu-bund.de/SharedDocs/pdf/DE/Lessons_learned/Lessons_Learned_16.html)

2  BERKING; HUTH: Handbuch Nautik – Navigatorische Schiffsführung. Hamburg: DVV Media Group GmbH, 2010. – ISBN 978-3-87743-821-3. S. 227. 3  BERND GRÖNEVELD auf BLAUWASSER.DE: Elektrischer Autopilot: Dimensionierung, Kalibrierung, Steuerverhalten, Wartung und Service. https://www.blauwasser.de/autopilot (17.08.2023). 4 ebenda.