Lessons Learned der BSU zum Tragen von Rettungswesten

Die BSU (Bundesstelle für Seeunfalluntersuchungen) hat einen neuen „Lessons Learned“ zum Tragen von Rettungswesten herausgegeben. Grund hierfür sind wiederholte – zum Teil schwere – Seenotfälle mit Todesfolge. Hiermit veröffentlichen wir die aktuelle Ausgabe mit der dringenden Bitte um Beachtung – egal bei welcher Wassersportart und welchen Alters: 

Rettungswesten tragen auf einer Hochsee-Segelyacht

PERSON ÜBER BORD

Sehr schwerer Seeunfall: Tod des Bootsführers einer Segelyacht nach Überbordgehen

Was passierte?

Etwa anderthalb Stunden nach Törnbeginn stürzte der Bootsführer einer 13,50 m langen, gewerblich genutzten Segelyacht nach einem misslungenen Segelmanöver über Bord und ertrank. Der Verunfallte war auf das Vorschiff gegangen, da sich dort die Schoten des Vorsegels verfangen hatten. Nach der Klarierung der Leinen richtete er sich in dem Moment auf, als wieder Wind ins Segel kam, die Yacht krängte und Fahrt aufnahm. Der Bootsführer fiel rücklings über die Reling ins Wasser. Er hatte sich nicht mittels Lifeline gesichert und trug keine Rettungsweste. Den Mitsegelnden gelang es nicht, den Verunfallten zurück an Bord zu bringen, obwohl er sich kurz darauf am Heck der Yacht befand. Einer von ihnen begab sich zur Unterstützung selbst ins Wasser, verlor den Kontakt zur Yacht und konnte unterkühlt gerettet werden. Ein Rettungshelikopter barg den Skipper, alle Reanimationsversuche blieben erfolglos.

Warum passierte es?

  • Die Gefährdungsbeurteilung des Schiffsbetreibers identifizierte die Gefahr des Überbordgehens und Ertrinkens und nannte das Tragen einer Rettungsweste sowie das Anleinen mit Lifeline als Schutzmaßnahmen. Entsprechende Ausrüstung war an Bord vorhanden. Die in der Gefährdungsbeurteilung vorgesehenen Maßnahmen waren unwirksam, da sie nicht umgesetzt wurden.
  • Vor Törnbeginn wurden durch den Bootsführer keine Notrollen festgelegt und keine Person-über-Bord-Übung durchgeführt. Obwohl die Yacht mit einer Bergeschlaufe sowie weiterer Bergungsausrüstung ausgestattet war, wussten die Mitsegelnden aufgrund einer unvollständigen Sicherheitseinweisung nichts von diesem Equipment. Sie handelten spontan und brachten im Verlauf der Notsituation ihre individuellen Fähigkeiten bestmöglich ein.
  • Weitere Faktoren trugen zum Unfallgeschehen bei: Mangelhaftes Crew Management, eine niedrige Wassertemperatur (ca. 5 °C), Schwierigkeiten beim Lösen von Rettungsmitteln von der Reling, für die Wetterverhältnisse dürftige Kleidung sowie Müdigkeit und körperliche wie mentale Verfassung des Bootsführers, Überbordgehen durch nicht bestimmungsgemäße Befestigung und Sinken der als Wiedereinstiegsmittel eingesetzten Badeleiter.

Was kann daraus gelernt werden?

  • Das Risiko tödlicher Person-über-Bord-Unfälle in der Sportschifffahrt ist auf Segelyachten (gegenüber Motoryachten) erhöht. Die Missachtung sicherer Arbeitsweisen und der guten Seemannschaft kann schwerwiegende Folgen haben. Maßnahmen zur Eigensicherung gegen das Überbordgehen und Ertrinken sollten getroffen werden, um die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Auswirkschwere solcher Unfälle zu reduzieren. Dies ist vor allem bei Segelmanövern und dem Gang auf das Vorschiff sowie bei widrigen Wetterbedingungen (Wind, Seegang, kalte Temperaturen) für alle Personen an Bord konsequent zu beachten.
  • Eine Rettungsweste kann im Wasser eine Unterkühlung verlangsamen und einen Verunglückten lange genug über der Oberfläche halten, um Zeit für eine wirksame Rettung zu haben, die andere nicht in Gefahr bringt. Darüber hinaus helfen Rettungswesten auch bei der Rettung von Personen aus dem Wasser, indem ihre Bergeschlaufe oder eine Öse (z. B. aus Metall oder Gurtband) einen Anschlagpunkt für Rettungsgeräte bietet.
  • Die Anwendung der Prinzipien des Crew Managements (vgl. auch STCW-Code Tabelle A-II/1 zu Bridge Resource Management) sowie die Implementierung einer Sicherheitskultur an Bord von Yachten beugt unsicheren Situationen und misslungenen Manövern vor. So kann das Risiko folgenschwerer Unfälle reduziert werden. Bootsführer und -führerinnen sollten dafür sorgen und auch zulassen, dass Mitsegelnde eigenständig Arbeiten auf dem Vorschiff durchführen (können), sodass er oder sie aus dem Cockpit einen Überblick über die Gesamtsituation behalten kann und im Notfall selber handlungsfähig bleibt.
  • Ungünstige Wetterbedingungen und eine Person im Wasser ohne Rettungsweste bedeuten einen ernsten Notfall. Dass sich einer der Mitsegelnden zur Unterstützung des Bootsführers selbst ins Wasser begab, hätte tragische Folgen haben können. Die Eigensicherung der noch an Bord befindlichen Personen sollte gegenüber der Rettung stets Priorität haben, sodass die Sicherheit Hilfeleistender nicht gefährdet wird und sie nicht selbst in eine Notsituation geraten.
  • Die einzige Möglichkeit, sich auf einen Notfall vorzubereiten, besteht darin, Übungen zu absolvieren, Notrollen festzulegen und sich mit der Ausrüstung an Bord vertraut zu machen, insbesondere im Rahmen einer umfassenden Sicherheitseinweisung vor Törnbeginn. Das Durchsprechen von Manövern (z. B. Person-über-Bord) in der Theorie kann eine praktische Übung nicht ersetzen. Mitsegelnde sollten in die Lage versetzt werden, mit Notsituationen auch bei einem Ausfall des Bootsführers oder der Bootsführerin eigenständig und effizient umgehen zu können. Die Unfallstatistik zeigt, dass es oft die Bootsführung selbst ist, die über Bord geht und dann von Mitsegelnden gerettet werden muss.
  • Über die aktuellen Ausrüstungspflichten hinaus sollte auf Yachten ein erprobtes und praktikables Betriebsverfahren zur Bergung oder Rettung von (hilflosen) Personen aus dem Wasser implementiert werden. Dieses Verfahren sollte allen Personen an Bord bekannt und für sie umsetz- und anwendbar sein. Darüber hinaus sollte immer die Möglichkeit bestehen, mit einem Wiedereinstiegsmittel, das aus dem Wasser bedient werden kann, zurück an Bord zu gelangen.
  • Rettungsmittel müssen im Notfall schnell erreichbar und jederzeit einsatzbereit sein. Sie sollten in der Nähe des Steuerstands aufbewahrt und nur falls erforderlich zusätzlich mit schnell und einfach zu lösenden Schnüren oder Gummiexpandern befestigt werden.

Wer kann es umsetzen/beachten?

Skipper und Skipperinnen, Wassersportler und Wassersportlerinnen, Betreiber und Betreiberinnen sowie Eigner und Eignerinnen von Sportbooten, Segelschulen

Quelle: BSU ( https://www.bsu-bund.de/SharedDocs/pdf/DE/Lessons_learned/Lessons_Learned_15.pdf?__blob=publicationFile&v=1)